Die Unis Wien und Zürich vertrauen darauf, dass bei der Dissertation von EU-Kommissar Hahn auch im zweiten Anlauf kein Plagiat nachgewiesen wird. Kritiker drängen auf strengere Regeln und schärfere Sanktionen.
Wien. EU-Kommissar Johannes Hahn selbst gibt sich betont gelassen: Er fürchte eine zweite Untersuchung seiner Dissertation aus dem Jahr 1987 nicht; auch diesmal werde ihm kein Plagiat nachgewiesen werden, vermutete er im „Presse“-Interview. Jetzt springt ihm seine Alma Mater, die Universität Wien, zur Seite: Schon 2007 habe die Universität Zürich – im Auftrag der Uni Wien – die Arbeit Hahns auf Plagiat überprüft, der Verdacht habe sich nicht erhärtet. Es sei eben „ein Unterschied, ob man Texte abgeschrieben, aber Quellen angegeben hat oder ob man plagiiert hat“, sagte am Mittwoch Uni-Wien-Sprecherin Cornelia Blum zur „Presse“.
Auch die Uni Zürich ist sich ihrer Sache sicher: Auf „Presse“-Anfrage verwies sie auf ihre beiden Stellungnahmen zur Causa Hahn aus dem Jahr 2007. Der Sucus von Gutachter Peter Schulthess: „Dass im Rahmen der zur damaligen Zeit geltenden Definitionen und Regelungen kein Plagiat vorliegt.“
Untersucht wird die Arbeit Hahns aus dem Fach Philosophie im Auftrag des Grünen Peter Pilz nun aber noch einmal vom heimischen „Plagiatsjäger“ Stefan Weber. 2007 hatte dieser die Dissertation des damaligen ÖVP-Wissenschaftsministers Hahn auf eigene Faust überprüft und festgestellt, dass „schleißig gearbeitet“ worden sei. Erst das rief die Uni Wien auf den Plan. Nur diese kann eine Dissertation ihres Hauses offiziell prüfen (lassen); sie wäre auch die einzige Instanz, die im Fall eines Plagiats den Doktortitel entziehen kann.
Seit 2004 sieben Titel aberkannt
Sollte Weber in den nächsten Wochen neue Fakten zutage bringen, „wird wieder, wie in jedem anderen Fall auch, geprüft und dann entschieden, ob und wie den neuen Vorwürfen nachgegangen wird“, betonte am Mittwoch die verantwortliche Uni-Wien-Studienpräses, Brigitte Kopp. Ihre Uni sei bereits sehr gewissenhaft, wenn es um die Prüfung wissenschaftlicher Arbeiten gehe. Man prüfe jährlich mehr als 5000 Arbeiten. Seit 2004 habe es zehn Anzeigen gegeben, sieben Titel seien aberkannt worden.
Peter Pilz glaubt, die Unis würden bei der Plagiatsbekämpfung „versagen“. Er drängt auf eine unabhängige Stelle für Plagiatsforschung. ÖVP-Wissenschaftsministerin Beatrix Karl treibt unterdessen die Arbeit der neuen „Anti-Plagiats-Arbeitsgruppe“ mit Uni-Experten voran. Diese prüft bestehende Praktiken und Regeln an den Unis; bald könnten zum Beispiel schärfere Sanktionen bei Plagiaten gelten, die vorbeugend wirken sollen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.03.2011)