Faymann über Atomlobbyisten: "Gegner sind stark"

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Ministerrat. Der Bundeskanzler plädiert für eine groß angelegte Diskussion über die Atomenergie.

Wien/Maf/Apa. Die Katastrophe in Japan beherrschte am Dienstag auch die Sitzung des Ministerrats in Wien. Bundeskanzler Werner Faymann legte danach ein klares Bekenntnis für die Anti-Atom-Linie Österreichs ab und forderte Konsequenzen. Die Katastrophe müsse zu einer groß angelegten Diskussion über die Nutzung der Nuklearenergie führen, nicht nur in Europa, sondern weltweit, sagte Faymann im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Man könne jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und weitermachen wie bisher. Faymann verlangt auf EU-Ebene, dass die Sicherheitsstandards für AKWs angehoben und einige Kraftwerke abgeschaltet werden. Er bezeichnete Atomenergie als „Irrweg, von dem abgegangen werden muss“.

Faymann begrüßte die Schritte in Deutschland. Er hoffe aber, dass die Aussetzung der Laufzeitverlängerung auch Konsequenzen haben werde. Der Kanzler kann sich auch – wie von den Grünen angeregt – eine EU-weite Volksabstimmung über Atomenergie vorstellen. Er warnte gleichzeitig eindringlich vor den finanziell gut ausgestatteten Atomlobbyisten: „Die Gegner sind stark.“ Weiter sprach sich Faymann dafür aus, die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) für eine zweckgebundene Forschung zu nutzen, bei der es um die Überprüfung der Sicherheit von AKWs und die Vorbereitung eines Ausstiegs aus der Atomenergie gehen soll.

Faymann bekräftigte ebenso wie die zuständigen Minister vor der Regierungssitzung, dass für Österreich und Europa keine Gefahr aus Japan drohe. Gesundheitlich hat Österreich laut Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) vorgesorgt: In allen Einrichtungen mit Kindern seien Kaliumjodidtabletten vorrätig. Eine Einnahme sei jedoch nicht notwendig, betonte er. Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) sagte, die EU habe Experten bereitgestellt, das sei bisher aber von Japan nicht angenommen worden. Auch Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) betonte, dass für Österreich keine Bedrohung bestehe. Zwischen den involvierten Ministerien gebe es aber jeden Tag Lagebesprechungen.

Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) appellierte an die Bundesregierung, den „Großmächten“ mit AKW innerhalb der Europäischen Union – beispielsweise Frankreich – etwas entgegenzusetzen. Der Rechtsweg sei allerdings der einzige Weg, der hier beschritten werden könne, so Häupl in seiner allwöchentlichen Pressekonferenz. Das betreffe auch Atommeiler in der Nähe der Bundeshauptstadt, etwa in Tschechien, der Slowakei oder Slowenien, über die bereits seit Langem diskutiert werde. In Sachen Atomkraft gebe es freilich „starke ökonomische Interessen“, gab das Stadtoberhaupt zu bedenken.

Strahlenexperten stehen bereit

Österreich wird sich auch aktiv an der Hilfe für Japan beteiligen. Man könnte zum Beispiel bei der Aufbereitung von Wasser helfen, das Bundesheer könnte zudem Strahlenexperten zur Verfügung stellen, sagte Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ). „Wir sind jederzeit bereit“, so Darabos, der sich auch vorstellen kann, Strahlenexperten des Bundesheers in das Katastrophengebiet zu entsenden. Welche Hilfe angefordert wird, hänge aber letztlich von Japan selbst ab, sagte Faymann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2011)

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