"Muss ich Schutzanzug tragen?" Ansturm auf Hotline

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Lokalaugenschein: Bei der Japan-Hotline laufen die Telefone heiß. Die meisten erkundigen sich über Jod-Tabletten und Angehörige vor Ort. Bisher besteht eine partielle Reisewarnung für den Nordosten der Insel.

Wien. „Muss ich beim Auspacken einen Schutzanzug tragen?“ Diese Frage ist im Callcenter des Innenministeriums, wo seit Samstag die Japan-Hotline eingerichtet ist, bereits mehrmals gestellt worden. Und zwar von Unternehmern und Restaurantbesitzern, die Güter und Lebensmittel aus Japan bestellt haben. Wolfgang Kaltenböck, Mitarbeiter des Einsatz- und Krisenkoordinationscenters, gibt Entwarnung: Schutzanzüge brauche man „momentan“ nicht.

Mehrere Thermoskannen mit heißem Kaffee sind neben Telefon und Computer wohl das wichtigste Utensil im Callcenter. Der Weg dorthin führt durch verwinkelte Gänge mit blauem Linoleumboden, in einem großen Zimmer mit gedämpftem Licht sitzen sechs Mitarbeiter und sprechen mit besorgten Anrufern aus ganz Österreich: Seit Errichtung der Hotline (0043-(0)59133/9500) habe man 750 Anrufe registriert, sagt Kaltenböck. Der Kaffee scheint gerade für ihn wichtig zu sein: Er habe in der Nacht auf Dienstag gearbeitet und nun, zu Mittag, bereite er sich auf eine interne Sitzung mit dem Außen- und Gesundheitsministerium vor. Hier werden die letzten Neuigkeiten aus Japan – und die Situation insgesamt besprochen, erzählt Kaltenböck, während seine Mitarbeiter im Hintergrund weitere Telefonanrufe entgegen nehmen. Mit ruhiger und sonorer Stimme beantworten sie die Fragen; die Anrufer selbst seien auch nicht panisch, sondern besorgt, so Kaltenböck. Sie würden sich größtenteils über Kaliumjodidtabletten erkundigen: Was bewirken sie? Wo bekommt man diese im Ernstfall? Wie viele soll man einnehmen?

Man sei sehr damit beschäftigt, besorgten Bürgern mitzuteilen, dass sie die Tabletten nicht voreilig schlucken sollen. Wenn es soweit sein sollte, „wird es einen speziellen Aufruf geben.“ Auch hätten einige verzweifelte Apotheker angerufen und mitgeteilt, „dass sie mehr oder weniger gestürmt werden“, so Kaltenböck.

Partielle Reisewarnung

Außerdem würden sich viele Anrufer über Bekannte, Freunde und Verwandte in Japan erkundigen. Wird ein Angehöriger als vermisst gemeldet, leite man alle verfügbaren Informationen an das Außenministerium weiter; auch intern erstelle man eine Vermisstendatenbank, die stetig aktualisiert werde.

Die Mitarbeiter des Callcenters würden auch Kontakte zu den Angehörigen in Japan herstellen, wenn es den Betroffenen selbst nicht gelungen ist. Sehr viele Anfragen betreffen auch Reisen. Man rate zwar davon ab, eine ganzheitliche Reisewarnung hat das Außenministerium aber noch nicht erteilt. Bisher besteht eine partielle Reisewarnung für den Nordosten der Insel; insgesamt wird allen Österreichern empfohlen (vorübergehend) das Land zu verlassen.

Indessen betrachtet ein Mitarbeiter ganz konzentriert eine Japan-Karte, während er sich mit einem Anrufer unterhält. Eine andere rechnet die Entfernung von Tokio nach Peking aus. Insgesamt 70 Kollegen, die sonst anderweitig im Innenministerium beschäftigt sind, wechseln sich im Callcenter ab. Sie seien alle speziell geschult, sagt Kaltenböck: technisch und psychologisch. Das Callcenter an sich wird nur anlassbezogen eröffnet, wie etwa zu Wahlzeiten. Oder bei der großen Tsunami-Katastrophe 2004 am Indischen Ozean.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2011)

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