Ein Kreuz im Kindergarten sei nicht als Präferenz des Staates für eine bestimmte Religion zu werten, so der Verfassungsgerichtshof. Auch religiöse Feiern wie das Nikolausfest sind zulässig.
Das Anbringen von Kreuzen in Kindergärten ist laut Verfassungsgerichtshof (VfGH) zulässig. Auch vor dem Hintergrund der Trennung von Kirche und Staat sei dies nicht als "Präferenz des Staates für eine bestimmte Religion" zu werten, hieß es in einer Entscheidung des VfGH am Mittwoch. Auch religiöse Feiern wie das Nikolausfest würden nicht gegen die Verfassung verstoßen, da die Teilnahme nicht verpflichtend sei.
Die Beschwerde gegen Kreuze und religiöse Feiern im Kindergarten hat ein niederösterreichischer Vater eingebracht. Der Atheist wollte, dass seine Tochter "bis zur Religionsmündigkeit ohne religiöses Bekenntnis, jedoch weltoffen und dem Pluralismus verpflichtet" aufwachsen kann.
Das niederösterreichische Kindergartengesetz sieht aber einen Beitrag auch zur religiösen Bildung vor - und die Anbringung eines Kruzifixes, wenn die Mehrheit der Kinder einem christlichen Religionsbekenntnis angehört. Der Beschwerdeführer sah einen Verstoß gegen die in der Menschenrechtskonvention verankerte Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit und gegen Artikel 14 Staatsgrundgesetz, der "volle Glaubens- und Gewissensfreiheit" garantiert.
"Beitrag zu religiöser Bildung"
Der VfGH sieht in den angefochtenen Passagen im niederösterreichischen Kindergartengesetz zu Kreuzen in Gruppenräumen keinen Verstoß gegen die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit. Die Stellen sehen vor, dass das Personal einen grundlegenden Beitrag "zu einer religiösen und ethischen Bildung zu leisten" habe und, dass in Kindergärten, in denen die Mehrzahl der Kinder ein christliches Religionsbekenntnis hat, ein Kreuz anzubringen sei.
Das Gesetz schaffe die Voraussetzungen dafür, dass verfassungsgesetzlich festgelegte Bildungsziele sowie Offenheit und Toleranz gegenüber religiösem und weltanschaulichem Denken erreicht werden, begründet der VfGH seine Entscheidung zu Kreuzen in Kindergärten. "Angesichts dessen ist im gesetzlichen Gebot der Anbringung eines Kreuzes in Gruppenräumen von Kindergärten keine Äußerung des Staates zu erblicken, mit der er eine Präferenz für eine bestimmte Glaubensüberzeugung zum Ausdruck bringen möchte."
"Keine Präferenz für Religion"
"Das Kreuz ist ohne Zweifel zu einem Symbol der abendländischen Geistesgeschichte geworden. Darüber hinaus war es stets und ist es auch heute noch ein religiöses Symbol christlicher Kirchen", heißt es unter anderem in der VfGH-Entscheidung. Vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund bedeute dies aber nicht, dass dem Gesetzgeber bei systematischer und verfassungskonformer Auslegung des Gesetzes "eine staatliche Äußerung einer Präferenz für eine bestimmte Religion oder gar einer Glaubensüberzeugung zugesonnen werden könnte".
Der VfGH betonte zudem, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zu Kreuzen in italienischen Klassenzimmern verfassungsrechtlich mit der Situation in Österreich nicht vergleichbar sei. Der EMGR hatte im November 2009 einer Beschwerde recht gegeben, dass Kreuze in Klassenzimmern staatlicher Schulen nicht mit den Europäischen Menschenrechtskonventionen vereinbar seien. Das Kreuz als Symbol einer bestimmten Religion könne Kinder ohne religiöses Bekenntnis oder mit einer anderen Religion verstören. Bei künftigen Verfahren zu Fragen dieser Art werde der VfGH aber eine möglicherweise neue Rechtsprechung des EGMR berücksichtigen, hieß es.
(APA)