Der Verfassungsgerichtshof verteidigt ein Symbol des Abendlands gegen maßlos überempfindliche Kritiker.
Zwei Tage, bevor der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg seine endgültige Entscheidung über Kruzifixe in Italiens Schulen fällen will, hat der Verfassungsgerichtshof gesprochen: In Niederösterreichs Kindergärten darf weiter die Anbringung von Kreuzen vorgeschrieben sein, wenn sie überwiegend von Christen besucht werden. Die Religionsfreiheit, die zugegebenermaßen nicht nur die freie Ausübung der Religion garantiert, sondern auch Distanz zu ihr ermöglichen soll, ist nicht verletzt.
Allzu hanebüchen war die Argumentation eines Atheisten, seine fast vierjährige Tochter müsse beim Anblick des Kreuzes den Eindruck gewinnen, der christliche Glaube genieße in Österreich Privilegien einer Staatskirche. So dominant sind die Kreuze in einem rechtlichen Umfeld, das eine Vorbereitung der Kinder auf ein Leben in einer freien Gesellschaft im Geist der Toleranz vorschreibt, denn doch nicht.
Man kann nur hoffen, dass auch Straßburg am Freitag ähnliche Toleranz walten und den Freiraum des Gesetzgebers bestehen lässt. Kreuze als Zeichen nicht nur des Christentums, sondern der abendländischen Geistesgeschichte müssen hängen dürfen. Sie dürfen sogar hängen müssen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2011)