EGMR: Kreuz im Klassenzimmer ist rechtens

EGMR entscheidet ueber Kreuz
EGMR entscheidet ueber Kreuz(c) AP (Carolyn Kaster)
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Die italienische Regierung hat in Straßburg ihren Kampf für Kreuze in Klassenzimmern gewonnen. Die Kreuze seien nur "stumme und passive Symbole", die keinen Einfluss auf den Unterricht hätten.

Die italienische Regierung hat in Straßburg ihren Kampf für Kreuze in italienischen Klassenzimmern gewonnen. Die große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) sprach am Freitag Italien vom Vorwurf der Menschenrechtsverletzung frei. Die erste Instanz des EGMR hatte 2009 noch einer in Italien lebenden finnischen Mutter zweier Söhne recht gegeben. Die Atheistin betrachtete die Kreuze als Verstoß gegen die Religionsfreiheit. Das Urteil der großen Kammer ist endgültig.

Die Mutter und ihre heute 21 und 23 Jahre Söhne vertraten den Standpunkt, Kruzifixe an staatlichen Schulen verletzten die Rechte von Kindern, die selbst keiner christlichen Religion angehören. In Italien zogen sie vergeblich durch alle Instanzen - bis vor den Verfassungsgerichtshof. Vor dem Straßburger Gericht hatten die Kläger im November 2009 einen ersten Sieg errungen: Die sieben Richter einer kleinen Kammer stellten einstimmig Verstöße gegen die Grundrechte auf Religions- und Gewissensfreiheit sowie Ausbildung fest. Italien beantragte daraufhin eine Überprüfung durch die 17 Richter der Großen Kammer.

"Stumme und passive Symbole"

Bei einer Anhörung Ende Juni wies der Rechtsvertreter der italienischen Regierung abermals den Vorwurf der Grundrechtsverletzungen zurück. Die Kreuze seien nur "stumme und passive Symbole", die keinen Einfluss auf den Unterricht hätten. Sie seien zudem "volkstümliche Symbole", die zur nationalen Identität Italiens gehörten.

Der Anwalt der Kläger sagte hingegen, Italien sei laut einer Entscheidung des Verfassungsgerichts ein laizistisches Land. Der italienische Staat müsse in Sachen Religion neutral bleiben. Kinder, die in der Schule mit einem Kruzifix konfrontiert seien, müssten aber daraus schließen, dass sich der Staat mit dem Christentum identifiziere. Die Söhne der Klägerin, die zuhause laizistisch erzogen worden seien, hätten sich wegen der Kruzifixe im Klassenzimmer ausgeschlossen gefühlt.

Zehn Länder unterstützen

Unterstützt wurde Italien von zehn anderen Europaratsländern mit überwiegend katholischer oder orthodoxer Bevölkerung, die als Drittparteien auftraten - ein Rekord in der Geschichte des Straßburger Gerichts. Außerdem waren 33 vorwiegend konservative Europaabgeordnete, unter ihnen der deutsche CSU-Politiker Bernd Posselt, vertreten.

Auch eine Reihe von Organisationen, darunter das deutsche Zentralkomitee der Katholiken, hatten sich hinter Italien gestellt. In ihrem Namen sagte der New Yorker Rechtsprofessor Joseph Weiler, der Gerichtshof dürfe kein Land zu Laizität verpflichten.

Empörung nach erster Entscheidung

Die erstinstanzliche Entscheidung des Straßburger Gerichts hatte in Italien, aber auch in Deutschland und anderen Ländern, große Empörung ausgelöst. Die Deutsche Bischofskonferenz betonte, das Kreuz sei "nicht nur religiöses Symbol, sondern auch kulturelles Zeichen". Bei einer Umfrage in Italien sprachen sich 84 Prozent der Befragten für die Beibehaltung der Kreuze in Schulen aus.

Die Entscheidungen des Straßburger Gerichtshofs sind für die Unterzeichner der Europäischen Menschenrechtskonvention bindend.

(APA)

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