SuperMarkt: Gnadenlose Jagd auf Kassandra

SuperMarkt Gnadenlose Jagd Kassandra
SuperMarkt Gnadenlose Jagd Kassandra(c) EPA (Karl-Josef Hildenbrand)
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Das finanzielle Debakel in Europas Peripherieländern kennt drei Schuldige: Standard & Poor's, Moody's und Fitch. Ihnen schlägt heute derselbe abgrundtiefe Hass entgegen wie einst Kassandra.

Sie sind weder umwerfend schön, noch entstammen sie trojanischen Königshäusern. Sie werden, so ist zu hoffen, auch nicht durch einen hinterfotzigen Dolchstoß zu Tode kommen. Auch wenn sie mit ihren Weissagungen deutlich öfter irren als ihre Vorgängerin aus der Antike, schlägt ihnen heute derselbe abgrundtiefe Hass entgegen wie einst Kassandra: Aus Sicht der politischen Elite Europas sind nämlich nicht bilanzfälschende und unfähige Politiker in den Pleitestaaten das Problem der Währungsunion. Sondern die Damen und Herren von Standard & Poor's, Moody's und Fitch, die auf budgetäre Unzulänglichkeiten, fehlende Sanierungsanstrengungen und nicht funktionierende Geschäftsmodelle in den südlichen Euroländern hinweisen.

Die Überbringer der schlechten Nachrichten zur Ursache derselben zu erklären, ist natürlich ähnlich absurd wie einem Wetterfrosch das herannahende Sturmtief vorzuwerfen. Was aber die EU-Kommission nicht daran hindert, genau das zu tun. Als in der vergangenen Woche nach Griechenland und Spanien auch noch Portugal eine schlechtere Kreditwürdigkeit ausgestellt bekam, war es mit dem Spaß endgültig vorbei. Gleich mehrere Vertreter aus der Euro-Gruppe riefen prompt nach einer strengen Regulierung der renitenten Agenturen.

Nicht etwa, weil Moody's & Co. immer wieder danebenliegen (Enron, Subprime-Krise, Island, Lehman Brothers). Nein, weil den im Privatbesitz stehenden Agenturen unterstellt wird, schlingernde Euro-Staaten gezielt schlechter zu bewerten, um so Aufmerksamkeit zu generieren und das eigene Geschäft anzukurbeln.


Kritik an den Kritikern.
Der Frust der europäischen Finanzminister ist insofern verständlich, als es um verdammt viel Geld und die Absicherung nationaler Spielräume zur Beglückung des Wahlvolks geht: Eine hochgezogene Augenbraue eines Standard & Poor's-Experten reicht schon aus, um die Refinanzierung eines verschuldeten Landes empfindlich zu verteuern. Um die Macht der großen Agenturen zu brechen, brauche Europa eine verstaatlichte Ratingagentur, wie die Sozialdemokraten seit Monaten verlangen. Und zwar eine, auf deren Urteil die Politik auch Einfluss nehmen könne.

Das hätte Charme, keine Frage. Schließlich wäre damit gesichert, dass eine peinliche Situation wie im Jahr 2004 nie mehr eintreten könnte. Schon damals haben nämlich die angeblich im Dienste düsterer Spekulanten stehenden Rating-Knechte vor dem drohenden Griechenland-Fiasko gewarnt.


Ziffern mit Frisur. Nicht ganz aus der Luft gegriffen war damals wohl auch ihr Hinweis, dass Athen seine Haushaltszahlen ordentlich frisiert hat. Nur hören wollte das in einer Zeit, in der mit Deutschland und Frankreich die zwei Euro-Musterländer den Stabilitätspakt in Stücke gerissen haben, niemand. Schon gar nicht in der Politik. Die Analysen fanden zwar den Weg auf die Tische der Euro-Finanzminister, füllten aber alsbald nur noch deren Schubladen.

Auch später sind die Herrscher über das „Triple-A“ immer wieder unangenehm aufgefallen. Etwa, wenn sie honorige Euro-Staaten beim Auslagern von öffentlichen Schulden ertappten. So etwas macht sich nicht gut, wenn ein Finanzminister gerade an der Tür potenzieller Geldgeber kratzt.

Fragt sich nur noch, wie Europa gegen unbotmäßige Einschätzungen ebendieser Geldgeber vorgehen wird, wenn erst einmal die Ratingagenturen ruhig gestellt sind. Das weit größere Problem für die Schuldenstaaten liegt ja darin, dass von den Märkten die deutlich treffsichereren Signale kommen als von Moody's, Standard & Poor's und Fitch (übrigens ein französisches Unternehmen). So brauchen etwa die Manager großer Pensionsfonds keine Agenturen, um zu wissen, dass das Geld ihrer Kunden besser bei solide wirtschaftenden Staaten aufgehoben ist als etwa in Italien oder Spanien. Diese Information liefern die Risikoaufschläge an den Finanzmärkten.

Es ist also nur noch eine Frage von Stunden, bis ein heimischer Volksvertreter oder Kammerfunktionär dafür plädiert, auch diese Risikoaufschläge einer staatlichen Regulierung zu unterwerfen. Damit die Pleiteländer ungehindert Zugang zu billigen Krediten haben. Um zu dieser Prophezeiung zu kommen, muss man übrigens nicht Kassandra heißen.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2011)


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