Ölbranche befürchtet "Vergeltung" durch Gaddafi

(c) EPA (Wei Leung)
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Mineralölkonzern OMV bezieht inzwischen kein Öl mehr aus Libyen. Analysten erwarten, dass die libysche Ölförderung bis zum Ende des Jahres ausfällt. Die Kampfhandlungen ließen auch den Ölpreis wieder ansteigen.

Wien/Jaz/Bloomberg. „Wir werden unser Öl nicht Amerika, Frankreich, Großbritannien oder sonst einem jener feindlichen christlichen Länder überlassen, die sich nun gegen uns verschworen haben“: Mit diesen Worten wandte sich der libysche Diktator, Muammar Gaddafi, am Wochenende per staatlichem Fernsehen an seine Unterstützer. Bei westlichen Ölgesellschaften haben diese Worte Sorgen ausgelöst. Denn die Zerstörung von Ölanlagen kann in einem Krieg ein Kampfmittel sein, wie bereits der irakische Diktator Saddam Hussein bei seinem Rückzug aus Kuwait 1991 bewiesen hat.

„Die westlichen Ölkonzerne müssen jetzt hoffen, dass Gaddafi ihre Anlagen nicht zerstört“, meint dazu Johannes Benigni, Chef des heimischen Beratungsunternehmens für die Ölindustrie JBC Energy. Ähnlich sieht es der Verteidigungsanalyst Alessandro Marrone vom italienischen Institut für internationale Angelegenheiten: „Einige Anlagen könnten im Rahmen der Kampfhandlungen zerstört werden. Andere könnten auch gezielter Sabotage zum Opfer fallen.“

Bei der OMV gibt man sich angesichts dieser internationalen Befürchtungen wortkarg. Man sehe sich genau an, wie sich die Lage in Libyen weiter entwickle. Der heimische Konzern ist an zwölf libyschen Ölfeldern mit 2,5 bis 40Prozent beteiligt.

Bei einem dieser zwölf Felder (Shatirah) ist die OMV auch Betriebsführer. Dieses Feld ist aus Sicherheitsgründen schon seit einigen Wochen außer Betrieb. In den anderen Feldern wurde und wird noch zu einem sehr geringen Ausmaß Öl gefördert. Die Anlagen, heißt es, seien ja in der Wüste, weit von den Kampfhandlungen.

OMV hat 718 Mio. Euro investiert

Wirtschaftlich wird die OMV den Förderausfall auf jeden Fall kräftig spüren. Denn im Vorjahr stammte noch ein Zehntel der gesamten Ölproduktion aus Libyen. Ob dadurch auch Sonderabschreibungen für die Anlagen in Libyen notwendig werden könnten, will man nicht beantworten; ebenso wenig die Frage nach dem Gesamtwert des libyschen Investments.

Ein Blick in die Geschäftsberichte der vergangenen Jahre zeigt jedoch, dass die OMV erst im Jahr 2008 für die Verlängerung der Förderlizenzen 485 Mio. Euro gezahlt und bilanziell aktiviert hat. Danach verpflichtete sie sich auch zu kräftigen Kapitalinvestitionen.

Laut den Berichten flossen demnach 2009 schon 121 Mio. Euro und im Vorjahr 112 Mio. Euro nach Libyen. Für die Periode 2011 bis 2013 waren Investitionen von zumindest 75 Mio. Euro geplant.

Bis zur Eskalation am Wochenende war die libysche Gesamtproduktion bereits von 1,6 Mio. Fass (je 159 Liter) auf 400.000 Fass pro Tag gefallen. Analysten erwarten, dass die Förderung in den kommenden Tagen komplett versiegen und bis zum Jahresende ausfallen wird. Die OMV bezieht daher „derzeit“ auch keine Öllieferungen mehr von der nationalen libyschen Ölgesellschaft NOC. Anfang des Monats sorgten solche Lieferungen noch für internationale Aufregung, da die NOC als Finanzierungsquelle für Gaddafi gilt.

Höchster Ölpreis seit zwei Jahren

Sie könnte Ende der Woche auch in die Sanktionsliste der EU aufgenommen werden. Bisherige Versuche, Geschäfte zwischen europäischen Firmen und NOC zu verbieten, waren am Widerstand Italiens gescheitert.

Die Kampfhandlungen in Libyen ließen auch den Ölpreis wieder ansteigen. Er erreichte mit zeitweise über 116 Dollar je Fass den höchsten Stand seit zwei Jahren. Analysten erwarten jedoch nicht, dass die Situation in Libyen ein Ansteigen über dieses Niveau hinaus nach sich ziehen könnte.

„Der Markt hat schon einen kompletten Ausfall Libyens eingepreist“, sagt Tobias Merath, Rohstoff-Chefanalyst der Credit Suisse. Ein Ausfall kann von großen Förderländern wie Saudiarabien ausgeglichen werden. Zudem reduziert der Ausfall mehrerer Raffinerien in Japan die globale Ölnachfrage um eine Mio. Fass pro Tag.

„Saudiarabien ist Pulverfass“

Sorgen bereitet den Marktteilnehmern aber eine mögliche Krise in Saudiarabien oder im Iran. „Dort liegt zur Zeit das Pulverfass. Und der Zündfunke könnte von Bahrain aus überspringen“, sagt Jonathan Barratt vom australischen Rohstoffhändler Commodity Broking Services.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2011)

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