„Den Moslem“ gibt es nicht

Nur ein Fünftel der Muslime deklariert sich. Willkommen in der Säkularisierung!

Der Islam als monolithischer Block, der ganz Europa mit Kopftüchern, Minaretten und abgehackten Händen überzieht – dieses Bild wird von politischen Demagogen allzu gerne implizit verbreitet und von einer verunsicherungswilligen Öffentlichkeit allzu gerne übernommen.

Immerhin – dass nicht jeder Moslem ein Terrorist ist, das mag man ihm vielleicht noch zugestehen. Doch ansonsten gilt hierzulande die Gleichung: Moslem ist gleich gläubig. Punkt. Was in etwa so treffend wäre wie: Österreicher ist gleich katholisch. Oder auch: Katholisch getauft ist gleich gläubig. Das ist Tinnef, wie man anhand der stetig sinkenden Mitgliederzahlen der katholischen Kirche schön ablesen kann. Die Säkularisierung hat die einst fest in unseren Gehirnen verankerte österreichisch-katholische Gleichung einfach hinwegradiert.

Und genau dieses Hinwegradieren müssen wir auch den Muslimen zugestehen. Gerade einmal ein Fünftel der rund 500.000Muslime Österreichs deklariert sich bei der Islamischen Glaubensgemeinschaft auch als solcher. Deklarieren bedeutet Teilhabe, bedeutet das Ausstellenlassen von Bestätigungen für muslimische Angelegenheiten, bedeutet ein Selbstverständnis als religiöser Mensch. Ja, man kann natürlich einwenden, dass so mancher religiöse Moslem nichts mit der derzeitigen Vertretung zu schaffen haben will. Aber man muss auch den naheliegenderen Schluss zulassen, dass vielen „Taufscheinmuslimen“ ihr Glaube einfach egal ist. Dass andere Dinge für sie wichtiger sind. Also: Willkommen in der Säkularisierung!

erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.03.2011)

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