Die Regierung ruft in der Nationalrats-Sondersitzung die Opposition zu einem gemeinsamen Anti-Atom-Kurs auf. Die Grünen attackieren Wolfgang Schüssel.
Der Nationalrat hat am Dienstag in einer Sondersitzung über die Atompolitik diskutiert. Einig waren sich die Parteien darin, dass international auf den Atom-Ausstieg gedrängt werden muss. Der Opposition sind die Initiativen der Regierung allerdings noch nicht engagiert genug.
Zuvor hatte die Regierung im Ministerrat einen Anti-Atom-Aktionsplan beschlossen. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) erklärte, man habe den Auftrag, die "Lügen" der Atomlobby aufzuzeigen. Solche Lügen seien alles, was an Sicherheit "vorgegaukelt" werde und was glauben machen solle, dass so etwas nur in Japan passieren könne. Im Zusammenhang mit dem Ausbau des tschechischen Atomkraftwerkes Temelin behalte sich Österreich "alle rechtlichen Schritte" vor.
"Nach Japan nicht zur Tagesordnung übergehen"
Faymann bezeichnete es als absurd, nach der Japan-Katastrophe zur Tagesordnung überzugehen, ohne Schritte gegen die Atomenergie einzuleiten. "Wir wissen, das Ziel ist nicht erreicht, wenn einiges stillgelegt wird, sondern wenn ausgestiegen wird aus dieser Technologie." Der Kanzler forderte die Fraktionen auf, "dass wir uns nicht gegeneinander klein machen, sondern miteinander stark machen in Europa gegen die Kernenergie".
Auch für VP-Umweltminister Niki Berlakovich hat die Katastrophe klar gemacht: "Atomkraft ist nicht sicher, Atomkraft ist nicht beherrschbar." Er forderte alle Parteien zum Sprechen "mit rot-weiß-roter Stimme" auf.
Opposition vermisst ernsthafte Initiativen
Die Grünen vermissen in der heimischen Politik "ernsthafte Initiativen". Man sei "ein bissl frustriert über die Aktionslosigkeit der letzten Jahre", sagte Parteichefin Eva Glawischnig. Sie kündigte an, die Regierung bei "echten Ausstiegsinitiativen" zu unterstützen, aber "nicht bei den Stresstests, das können sie allein machen mit der Atom-Lobby". Dass Ökostrom zu teuer sei, "dieses Argument möchte ich nie mehr hören. Das ist wirklich lächerlich", meinte Glawischnig.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sagte, mittels Wasser, Solar, Geothermie oder Windkraft habe Österreich die Chance, energieautark zu werden. Eine autonome Energieversorgung und der Umweltschutz - "Das ist der Auftrag an uns alle", so Strache.
BZÖ-Klubchef Josef Bucher erklärte: "Wir müssen das Zeitfenster jetzt aktiv nützen und die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen. Jede andere Entscheidung, wäre fahrlässig. Wir sollten nicht Lippenbekenntnisse von uns geben, wie das die Bundesregierung heute wieder gemacht hat."
Kritik an Schüssel
Heftig diskutiert wurde auch über die Aufsichtsratstätigkeit des ehemaligen Bundeskanzlers Wolfgang Schüssel (ÖVP) beim deutschen Energiekonzern RW. Glawischnig ortet eine Unvereinbarkeit und forderte ihn auf: "Ich verstehe nicht, dass sie sich nicht äußern können und hinter der Zeitung verkriechen. Das ist nicht in Ordnung. Bitte äußern sie sich."
ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf nahm Schüssel in Schutz: "Wer, wenn nicht er hat eine Anti-Atompolitik nicht nur unterstützt, sondern betrieben, die uns europaweit endlich Sicherheitsstandards für Atomkraftwerke brachte."
Vor Sitzungsbeginn demonstrierten rund 50 Atomgegner vor dem Parlament. Neben Global 2000, die "schon wieder Tschernobyl" orteten, waren auch die "Mütter gegen Atomgefahr", "Gewerkschafter gegen Atomenergie und Krieg" und die Grünen mit Transparenten vor Ort.
(APA)