Ernst Strassers Russland-Connection

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Der zurückgetretene ÖVP-Europaabgeordnete pflegte schon als Innenminister enge Kontakte zu Russlands Geschäftswelt. Er trat als Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft zurück.

Brüssel/Moskau. Nach seiner Verwicklung in eine Bestechungsaffäre im Europaparlament gab Ernst Strasser, der ehemalige Chef der ÖVP-EU-Abgeordneten, am Dienstag sein nächstes Amt ab. Er trat als Präsident der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft zurück.

Dieser Verein mit nobler Adresse gleich um die Ecke des Wiener Kohlmarktes dient Strasser seit Jahren als Anlaufstelle, um geschäftliche Kontakte nach Russland zu knüpfen. Noch als Innenminister übernahm Strasser im Jahr 2003 das Präsidentenamt. Es gehe ihm um den „Ausbau der bilateralen Beziehungen“, sagte er zum Beispiel am 1.Dezember 2005 bei einer Russland-Veranstaltung in der Wirtschaftskammer.

„Ein Kontakt ist ein Kontakt“

Strassers eigene bilaterale Beziehungen nach Russland gediehen prächtig. So pflegt er zum Beispiel Umgang mit dem Oligarchen und Milliardär Alexander Lebedew. Dieser ist unter anderem an der russischen Fluglinie Aeroflot und am halbstaatlichen Energiekonzern Gazprom beteiligt. In London machte der frühere KGB-Offizier Lebedew Schlagzeilen, als er die bankrottreifen Zeitungen „The Independent“ und „The Evening Standard“ übernahm.

„Er ist ein Kontakt“, sagte Strasser am Dienstag zur „Presse“. „Alexander Lebedew ist aber weder ein Kunde von mir persönlich noch von einer meiner Firmen.“ Was ist der Unterschied zwischen einem „Kontakt“ und einem „Kunden“? „Ein Kontakt ist ein Kontakt“, antwortete Strasser. Wie lernt man einen Oligarchen persönlich kennen? Und wann war das? Strasser blieb wortkarg: „Sie wissen, ich gebe derzeit keine Interviews.“

Mitte Februar, vor Auffliegen der Affäre um unmoralische Lobbying-Angebote verdeckt ermittelnder „Sunday Times“-Journalisten an Europaabgeordnete, sagte Strasser zur „Presse“, er mache kein Lobbying, sondern berate österreichische und russische Firmen in Beteiligungs- sowie Übernahmefragen.

Casinos Austria schätzen Strassers Dienste

Dieses Geschäft läuft vor allem über die Expert Managementberatung Russia GmbH. An dieser Firma mit Sitz an Strassers Büroadresse in der Nähe des Wiener Schwarzenbergplatzes hält er selber ein Drittel. Je ein weiteres Drittel gehören laut Firmenbuch Svetlana Derbicheva und (über eine weitere Firma) Florian Stermann.

Hier schließt sich der Kreis zur Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft: Der umtriebige Investor Stermann ist deren geschäftsführender Präsident, Derbicheva (sie ist übrigens Professorin an der Moskauer Universität des russischen Innenministeriums) sitzt im Vorstand.

Solche Kontakte sind Goldes wert. Auch die Casinos Austria und die Österreichischen Lotterien wussten Strassers Dienste zu schätzen. Sie bedienten sich seines Lobbyings, um eine Lotterie-Lizenz in der russischen Teilrepublik Baschkortostan zu ergattern. Seit Sommer 2009 darf am Ural „6 aus 40“ gespielt werden. Lizenzhalterin ist die „Russisch Österreichische Lotterien Holding Gesellschaft m.b.H.“, mehrheitlich eine Tochter der Lotterien. 34 Prozent gehören der „VPB Beteiligungs GmbH“. Deren Geschäftsführer: Florian Stermann von der Freundschaftsgesellschaft.

„Starkes Netzwerk in Osteuropa“

Und auch zum bis vor Kurzem mächtigsten Ehepaar Russlands hat Strasser einen Draht. Sein ehemaliger Kabinettschef im Innenministerium, Christoph Ulmer, war laut Firmenbuch bis 12. Juli 2008 Vorstand der „Saphros Privatstiftung“ mit Sitz in der Wiener Innenstadt. Sie gehört zu jenem dichten Firmengestrüpp, über das Moskaus Ex-Bürgermeister Juri Luschkow und seine Ehefrau, die milliardenschwere Bauunternehmerin Jelena Baturina, ihr Vermögen verwalten. Auf diesem Weg kaufte Baturina im Jahr 2006 den Golfplatz Eichenheim im Tiroler Nobelferienort Kitzbühel.

Mit Ulmer verbindet Strasser noch eine geschäftliche Verknüpfung mit Ostbezug. Von 2005 bis 2008 arbeiteten sie für die Investmentfirma Vienna Capital Partners, die sich an osteuropäischen Energiefirmen beteiligt. Wieso er den gerade zurückgetretenen Innenminister an Bord hole, wurde Firmenchef Heinrich Pecina gefragt. Antwort: weil Strasser „ein Manager mit internationaler Erfahrung und starkem Netzwerk in Osteuropa“ sei.

Die Bestechungsaffäre

Die „Sunday Times“ stellte mehreren EU-Abgeordneten, darunter dem ÖVP-Mann Ernst Strasser, eine Falle. Reporter gaben sich als Lobbyisten aus und boten Strasser 100.000 Euro und weitere Vergünstigungen, wenn er ein EU-Gesetz entsprechend ihren Wünschen ändert. Am Sonntag veröffentlichte die Zeitung ein Video, auf dem sich Strasser selber als Lobbyist bezeichnet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.03.2011)

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