Österreich, ein leuchtendes Atom-Vorbild!

Das Unglück im japanischen Fukushima beflügelt Fantasien und Auftritte so mancher Regierungsmitglieder. Nur die Grünen verfallen nicht in Hyperaktivität. Ein Streifzug durchs gallische Dorf.

Dass die tragische Situation im japanischen Fukushima auch politische Auswirkungen in Europa hat, ist verständlich. Wenn etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel veraltete Atomreaktoren vorerst vom Netz nehmen lässt und eine Überprüfung derselben anordnet, ist das durchaus beruhigend für Mitteleuropäer. Dass sie dies möglicherweise nur macht, damit ihre CDU bei Landtagswahlen nicht so viel verliert, schmälert vielleicht ihre Aufrichtigkeit, nicht aber den Effekt. Würden Österreichs Politiker kurz daran erinnern, dass sie mit dem einstigen Ausstieg aus der Atomkraft heute zufrieden sind, und darauf hinweisen, dass Strom trotzdem nicht in der Steckdose produziert werde – auch das wäre nachvollziehbar.

Nur belassen es Österreichs Politiker nicht dabei. Im Gegenteil. Fast alle Parteien verfielen in den vergangenen zwei Wochen in eine Hyperaktivität, die zu Politikern von Ländern mit überschaubarer Größe passt – und zum Aufmerksamkeitsdefizit österreichischer Volksvertreter. Beginnen wir beim Landwirtschaftsminister, der sich für Umwelt und ihre Katastrophen zuständig fühlt. Tatsächlich hatte Nikolaus Berlakovich europaweit seine Fifteen Minutes of Fame. Sein Vorschlag, in allen Atomkraftwerken „Stresstests“ durchführen zu lassen, wurde vom zuständigen EU-Kommissar und den Unionsstaaten übernommen. Das ist ein kleiner Erfolg, der aber nicht größer wird, wenn Berlakovich nun „Erfinder der AKW-Stresstests“ auf seine Visitenkarten drucken lässt. Als normaler Bürger hat man immer gehofft, dass die Sicherheit von Atomkraftwerken laufend überprüft werde. Aber egal, manchmal braucht die Öffentlichkeit neue Begriffe.

Mit einem solchen international zu punkten, gelang einem anderen weltberühmten Österreicher leider nicht: Werner Faymanns Versuch, Michael Häupl zu kopieren und einfach alle Grün-Positionen zu besetzen, scheiterte. Die Idee einer „EU-Bürgerinitiative“, um in ganz Europa den Atomstrom auszuschalten, blieb eine solche. Derartige Entscheidungen seien Sache der Mitgliedstaaten, hieß es in Brüssel. Dabei ist sich Faymann immer sicher gewesen, dass das EU-Hauptquartier den Ländern einfach alles diktiert. Faymann wird das als wichtige Erfahrung verbuchen: Endlich haben alle beobachten können, wie sinnlos es ist, mit eigenen Gedanken nach Brüssel zu fahren.

Bleiben die Grünen, die sich ähnlich wie ihre Schwestern und Brüder in Deutschland in einer solchen Situation endlich profilieren könnten. Theoretisch. Aber die Grünen gehen auch mit diesem Kernthema unprofessionell um: In einer Sondersitzung des Nationalrats attackieren sie zwar alle, die theoretisch im Land ohne Atomkraft für Atomkraft verantwortlich sein könnten, schaffen es aber nicht, eine europaweite, finanziell vertretbare Alternative zu präsentieren.

Ja, stimmt, durch unsere Leitungen fließt auch Atomstrom. Man kann ein Land nicht einfach vom europäischen Stromnetz nehmen. Auch wenn viele tief im Herzen gern im gallischen Dorf leben würden, das von allen Katastrophen automatisch verschont bleibt.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.03.2011)

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