ÖVP zwingt nächste EU-Abgeordnete zum Rückzug

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Nach Ernst Strasser ging Dienstag Hella Ranner, die in die Insolvenz geschlittert war und zur Rückzahlung auch EU-Spesen verwendet haben soll. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Betrugsverdachts.

Brüssel/Wien/Red. Die Anschuldigungen waren seit Wochen bekannt, doch nach der Affäre Strasser wollte sich die ÖVP offenbar nicht noch einmal tagelang mit einem angeschlagenen EU-Mandatar herumschlagen. Hella Ranner trat deshalb nach massivem Druck ihrer Parteifreunde am Dienstagnachmittag zurück.

Ihr Mandat wird der nächste auf der ÖVP-EU-Liste, Seniorenbund-Generalsekretär Heinz Becker (60), übernehmen. Somit befindet sich in der sechsköpfigen EU-Delegation der ÖVP mit der Bauernbündlerin Elisabeth Köstinger (32) nur noch eine Frau. Dem zurückgetreten Strasser folgte Hubert Pirker (62), der seinerseits wegen einer Lobbying-Firma in Kritik geraten war, die er bis zum Tag seiner Nachrückung betrieben, dann aber stillgelegt hatte.

Insolvenz und Betrugsverdacht

Ranner war seit geraumer Zeit in Turbulenzen, weil sie an der 1989 gegründeten Revita Beteiligungs- und Beratungsgesellschaft beteiligt war, die marode Unternehmen sanieren und verkaufen hätte sollen, selbst aber in Konkurs geraten war. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Betrugsverdachts. Eine oberösterreichische Anwaltskanzlei warf der 59-Jährigen zudem vor, sie mit erschlichenen Prämien geschädigt zu haben. Die lange als Masseverwalterin und Anwältin Tätige kam schließlich wegen einer anderen Sache in die Bredouille. „Kleine Zeitung“ und „Kurier“ hatten berichtet, dass sie im Insolvenzverfahren nicht nur ihre Witwenpension und ihr Einkommen als EU-Mandatarin, sondern auch das EU-Spesenpauschale angeführt hatte.

Ranner wies gestern allerdings brüsk zurück, dass sie die Spesen zur Rückzahlung angegeben habe. „Das ist absolut lächerlich.“ Außerdem seien die kolportierten sieben Millionen Euro Gesamtschadenssumme viel zu hoch. Ranners Überschuldung wurde jedenfalls schon zu Jahresbeginn mit 3,5 Millionen Euro angegeben. In ihrem Rücktrittsschreiben meinte Ranner nun, die „haltlosen und unwahren Anschuldigungen“ machten es ihr unmöglich, sich der Parlamentsarbeit mit vollem Einsatz zu widmen.

„Damit ist nun auch in der Causa Ranner ein Schlussstrich gezogen“, kommentierte ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger den zweiten Rücktritt eines ÖVP-EU-Mandatars.

Hausdurchsuchung bei Strasser

In der Causa Strasser fanden diese Woche Hausdurchsuchungen statt. Der Ex-EU-Abgeordnete wurde zudem von der Korruptionsstaatsanwaltschaft einvernommen. Strasser war auf die fingierten Geschäfte von als EU-Lobbyisten getarnten britischen Journalisten eingegangen und hatte sich laut einem geheim gefilmten Video bereiterklärt, für 100.000 Euro Interessen seiner Klienten im Europaparlament einzubringen. Gegen Strasser laufen nun Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit. Strassers Verteidigung: Er sei bloß als Agent provocateur aufgetreten.

Während in Wien ermittelt wird, verwehrt das EU-Parlament der EU-Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf den Zutritt zu den Büros der Mandatare. Dafür fehle Olaf schlicht die Befugnis. Hingegen lädt man die österreichische Staatsanwaltschaft nach Brüssel ein, wenn diese einen Durchsuchungsbefehl vorweisen könne.

Auf einen Blick

Mit Hella Ranner trat am Dienstag die zweite EU-Mandatarin der ÖVP zurück. Die frühere Rechtsanwältin geriet mit einer Sanierungsfirma in Turbulenzen und kam in Kritik, weil sie EU-Spesen zur Insolvenzabdeckung gemeldet haben soll. Ranner bestreitet das vehement. Im EU-Parlament folgt ihr Seniorenbund-Generalsekretär Heinz Becker nach. [Foto: HellaRanner.at]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2011)

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