Ausgelagerte Schulden: Defizit steigt auf 4,6 Prozent

Ausgelagerte Schulden Defizit steigt
Ausgelagerte Schulden Defizit steigt(c) Erwin Wodicka
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Die Einberechnung ausgelagerter Schulden in das Budget erhöht das Defizit um einen Prozentpunkt oder 2,9 Milliarden Euro. Die Staatsschulden betragen nun 72,3 Prozent des BIP.

Österreichs schreibt 2010 ein so hohes Defizit wie seit 15 Jahren nicht mehr. Nach neuesten Berechnungen der Statistik Austria schnellt das Defizit durch Einbeziehung bisher ausgelagerter Schulden um mehr als ein Viertel nach oben. Das BZÖ fordert Finanzminister Josef Pröll deshalb zum Rücktritt auf. Auch FPÖ und Grüne üben heftige Kritik (mehr zur politischen Diskussion...).

Aufgrund der neuen strengeren Regeln der EU-Statistikbehörde Eurostat müssen bisher außerbudgetäre Verbindlichkeiten nachträglich dem heimischen Budget-Defizit zugerechnet werden. Damit kommt es zu einer Anpassung des Defizits um einen Prozentpunkt des Bruttoinlandsproduktes (BIP) oder 2,9 Milliarden Euro. Das Defizit 2010 liegt nach dieser Entscheidung nun bei 4,6 Prozent des BIP, teilte die Statistik Austria am Donnerstag per Aussendung mit.

9,5 Milliarden Euro mehr Staatsschulden

Für die Staatsschulden bedeutet die Revision der Daten einen zusätzlichen Anstieg um 9,5 Milliarden Euro. Mit Ende des Jahres 2010 beträgt der Schuldenstand damit 205,2 Milliarden Euro bzw. 72,3 Prozent des BIP. Zuletzt war das Defizit im Jahr 1995 höher gelegen, und zwar bei 5,8 Prozent des BIP.

Aufgrund von strengen Eurostat-Vorschriften müssen Teile der ÖBB-Schulden, Verbindlichkeiten von Landes-Krankenanstalten, ein eine Milliarden Euro schwerer Transfer für die "Bad Bank" der Kommunalkredit (KA Finanz) sowie die Schulden der Wohnbau Burgenland GmbH den Staatsschulden zugerechnet werden. Defizit-wirksam (sowohl 2009 als auch 2010) werden die Aufwendungen für die ÖBB-Infrastrukturinvestitionen sowie jene für die Landeskrankenanstalten. Der Besserungsschein der Kommunalkredit wirkt sich zusätzlich auf das Defizit 2010 aus, das durch die verschärften statistischen Regeln mit 4,6 Prozent um einen Prozentpunkt höher ausfällt.

Schuldenquote über Maastrichtgrenze

Das Budgetdefizit 2009 liegt durch die sogenannten "Reklassifikationen" (Anpassungen) nun bei 4,1 Prozent des BIP. Die Staatsverschuldung erhöht sich 2009 um 5,9 Milliarden bzw. 2,2 Prozent des BIP auf insgesamt 191 Milliarden Euro (69,6 Prozent des BIP). 2010 klettern die Schulden dank dieses Sondereffekts um stolze 9,5 Milliarden bzw. 3,4 Prozent des BIP auf 205,2 Milliarden Euro. Die Schuldenquote beträgt damit 72,3 Prozent des BIP. Die Maastrichtgrenze liegt bei 60 Prozent.

Der größte Brocken unter den neuen Schuldentreibern sind die ÖBB. Von den insgesamt 2,89 Milliarden Euro, um die sich das Defizit 2010 erhöht entfallen 1,27 Milliarden auf die Bahn, eine Milliarden Euro auf die KA Finanz, sowie 610 Millionen Euro auf die Krankenanstalten. Für 2009 werden 1,69 Milliarden Euro an Neuverschuldung dazugerechneten, 1,4 Milliarden davon für die ÖBB und 450 Millionen für die Krankenanstalten. 160 Millionen defizitentlastender Wirkung kommen aus sonstigen Revisionspunkten.

3,58 Milliarden Euro Schulden entfallen auf ÖBB


Auch der staatliche Schuldenberg wird entsprechend nach oben korrigiert. Von 5,93 Milliarden Euro Zusatzschulden 2009 entfallen 3,58 Milliarden auf die ÖBB und 2,25 Milliarden Euro auf die Krankenanstalten. 2010 sieht es ähnlich aus, nur dass die Summen immer größer werden. Da beläuft sich die Zusatzschuld schon auf beachtliche 9,5 Milliarden Euro. Rund fünf Milliarden davon verursachen die Bahn-Verbindlichkeiten, eine Milliarden die KA Finanz und fast drei Milliarden die ausgelagerten Schulden der Krankenanstalten der Länder, wobei hier zwei Länder hauptverantwortlich sind: die Steiermark und Kärnten.

Die besonders ausgefallene Schuldenauslagerung des Burgenlandes erhöht den Schuldenstand um 440 Millionen Euro. Das Burgenland hat Forderungen aus Wohnbaudarlehen an eine ausgegliederte Gesellschaft namens Wohnbau Burgenland GmbH verkauft. Diese überwies wiederum dem Land 440 Millionen Euro, die sie selbst über eine Schuldenaufnahme finanzierte. Das Land haftet für die Rückzahlung der Darlehen an die Wohnbau Burgenland GmbH.

2014 wieder neue Regeln


Die statistischen "Reklassifikationen", die infolge der strengeren Gangart bei statistischen Daten nach der Griechenland-Krise vorgenommen wurden, könnten bzw. hätten noch schlimmer ausfallen können. Es war nämlich im Gespräch, dass die gesamten Verbindlichkeiten von 15 Milliarden Euro der KA Finanz den Staatsschulden zugeschlagen würden. Das wurde vorerst verhindert. Schlagend wird nur ein Besserungsschein in Höhe von einer Milliarden Euro, den die im staatlichen Eigentum stehende Kommunalkredit Austria AG im Gegenzug auf den Verzicht gegenüber der KA Finanz auf die Rückzahlung von Geldmarkteinlagen gezeichnet hat.

Weiteres Ungemach könnte 2014 drohen, wenn neue EU-Regeln gelten, die derzeit in Verhandlung stehen. Dann könnten die ganzen ÖBB-Schulden von derzeit rund 20 Milliarden Euro den Staatsschulden zugerechnet zu werden. Dabei könnten diese bis dahin schon auf 24 Milliarden Euro angewachsen sein. Die Staatsschuldenquote würde sich in diesem Fall auf 80 Prozent des BIP erhöhen.

(APA)

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