Die erzwungene Einrechnung von versteckten Schulden bringt Milliarden ans Licht. Einige Budgettricks bleiben aber weiter im Dunkeln. Im Finanzministerium zeigt man sich mit der Neuberechnung trotzdem zufrieden.
Wien/Ju. Die vom europäischen Statistikamt Eurostat verlangte Umbuchung von ausgelagerten Staatsschulden in das Budget beschert Österreich für 2010 das höchste Defizit seit 15 Jahren und eine Rekordstaatsschuldenquote.
Konkret steigt das Defizit dadurch von 3,6 auf 4,6 Prozent des BIPs, was eine Erhöhung um rund eine Milliarde Euro bedeutet. Die Staatsschuld erhöht sich durch die Neuzuordnung um 9,52 auf rund 205 Milliarden Euro, wodurch die Staatsschuldenquote um 3,4 Prozentpunkte auf 72,3 Prozent steigt.
Meldepflicht für Gemeinden
Im Finanzministerium zeigt man sich mit der Neuberechnung trotzdem zufrieden. Denn es hätte noch schlimmer kommen können. Mit der „Umbuchung“ sind nämlich bei Weitem nicht alle versteckten Schulden offengelegt. So sind die tatsächlichen Verbindlichkeiten der Bad Bank der notverstaatlichten Kommunalkredit – 15 Milliarden Euro – nur mit einer Milliarde im Budget berücksichtigt.
Die den ÖBB umgehängten Schulden für den Infrastrukturausbau sind jetzt mit 4,85 Milliarden im offiziellen Staatsschuldenstand enthalten. Tatsächlich sind es aber rund 20 Milliarden. Zudem gibt es keinen wirklichen Überblick über die Budgettricksereien der Gemeinden. Und die verbliebenen Verbindlichkeiten aus Cross-Border-Leasing-Geschäften sind ebenfalls nicht berücksichtigt.
Schon 2014 droht deshalb die nächste „Umbuchung“: Dann werden möglicherweise die gesamten ÖBB-Schulden und auch die „Miesen“ der Bad Bank der Kommunalkredit in die offizielle Staatsschuld genommen werden müssen. Dies wird die ausgewiesene Staatsschuldenquote auf über 80 Prozent des BIPs treiben.
Generaldirektor Konrad Pesendorfer von der Statistik Austria, die die Eurostat-Vorgaben umgesetzt hat, zeigte sich am Donnerstag trotz der Unschärfen zufrieden. Es sei nun möglich, ein klareres Bild von den Staatsfinanzen zu bekommen. Schließlich, so Pesendorfer, sei es für die Politik „nicht gut, sich selbst Dinge zu verschleiern, die Risken bergen können“. Allerdings wünscht sich der oberste Statistiker mehr Kooperation: Er gehe zwar davon aus, „dass wir den Großteil der notwendigen Informationen bekommen“, die Statistik Austria würde aber „gern Vollständigkeit sicherstellen“. Und zwar durch eine gesetzliche Meldeverpflichtung für ausgelagerte Schulden aller Gebietskörperschaften.
Das Hauptproblem bei der Informationserbringung dürften die Gemeinden sein, über deren Ausgliederungen selbst der Staatsschuldenausschuss „keinen Überblick“ hat, wie dessen Chef Bernhard Felderer beklagt. Auch er fände es wichtig, „dass wir hier völlige Transparenz bekommen“.
Im Finanzministerium selbst findet man es „erfreulich“, dass die 15 Milliarden Schulden für die Bad Bank der Kommunalkredit (KA Finanz) nicht in die Staatsschuld eingerechnet werden müssen. Berücksichtigt wird nur der „Besserungsschein“ über eine Milliarde Euro, von dem offenbar niemand mehr annimmt, dass er sich tatsächlich zu Geld machen lässt.
Die Einrechnung der ausgelagerten Landeskrankenanstalten (2,86 Mrd. Euro) und der Wohnbau Burgenland Ges.m.b.H., über die das Land 440 Millionen Euro Schulden verdeckt aufgenommen hat, machen die üblichen Maastricht-Tricksereien der Länder künftig schwieriger.
Im Finanzministerium hofft man trotzdem darauf, dass das Maastricht-Defizit schon 2013 wieder unter drei Prozent sinkt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2011)