Erkrankte Staatsmänner: Der politische Patient

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Bis vor gar nicht allzu langer Zeit wurden Krankheiten von Staatsmännern auch in Demokratien einfach verheimlicht - von Kennedy bis Mitterrand, von Kreisky bis Mock. Mittlerweile hat sich das geändert.

Es soll knapp gewesen sein. Eine Angelegenheit von wenigen Minuten. Zwischen Leben und Tod. Mit dem Notarzthubschrauber war Josef Pröll am Freitag vor zwei Wochen von der Skipiste ins Krankenhaus nach Innsbruck geflogen worden. Ein Thrombosepropfen hatte sich aus einer Beinvene gelöst und ein Lungengefäß verstopft. Diagnose: Lungeninfarkt. Mittlerweile ist Pröll auf dem Weg der Besserung und voraussichtlich noch gut eine Woche auf Rehabilitation.

Der Stressjob Berufspolitiker hat seinen Tribut gefordert. Ständige Verfügbarkeit, Termine rund um die Uhr, auch an Wochenenden. Dazu die nahezu tägliche Konfrontation mit Negativschlagzeilen. Die Angst vor Intrigen der eigenen „Parteifreunde“. Und wie im Falle Josef Prölls auch noch die Mehrfachbelastung: Der ÖVP-Obmann und Vizekanzler ist auch Finanzminister, wahrscheinlich das herausforderndste Amt in einer Regierung.

Politiker stehen unter immensem, auch öffentlichem Druck. Krankheit ist für einen, der gerne den starken Mann gibt, eigentlich nicht vorgesehen.

Und Politiker gehen auch unterschiedlich damit um. Im Falle Josef Prölls war gar nicht erst versucht worden, irgendetwas zu verheimlichen. Die Öffentlichkeit wurde über die relevanten Fakten informiert, der Rest blieb in der Privatsphäre. Und dies wurde auch allgemein akzeptiert.

Krebs bei Amtsantritt. So war es nicht immer. Es ist noch nicht allzu lange her, da wurden Krankheiten von Spitzenpolitikern lieber verschwiegen. Wenige Monate nach seinem Wahlerfolg im Jahre 1981 wurde beim neuen französischen Staatspräsidenten François Mitterrand Prostatakrebs diagnostiziert – in den Knochen saßen bereits Metastasen. Es wurde strengste Geheimhaltung verfügt. Und alle Beteiligten hielten sich daran. Mitterrand wurde heimlich therapiert und lebte nicht nur noch 15 Jahre, er war auch bis 1995 Präsident der Republik Frankreich – obwohl ihm die Ärzte bei der Diagnose eine maximale Lebenserwartung von drei Jahren gegeben hatten. Erst Anfang der Neunzigerjahre erfuhren die Franzosen langsam von der Krankheit Mitterrands.

Schon Mitterrands Vorvorgänger, Georges Pompidou, hatte an Krebs, an Morbus Waldenström, einem malignen Lymphom, gelitten. Der Pariser Elysée-Palast sprach von einer „Grippe“ – bis kurz vor seinem Tod im Amt am 2.April 1974. Danach setzte in der französischen Öffentlichkeit eine Debatte darüber ein, ob ein Präsident das Recht habe, seine Krankheiten zu verschleiern.

Auch bei US-Präsident Ronald Reagan sollen sich gegen Ende seiner Amtszeit bereits die ersten Auswirkungen seiner Alzheimer-Erkrankung gezeigt haben, behauptet zumindest dessen Sohn. John F. Kennedy litt seit seiner Jugend unter Morbus Addison, einer Unterfunktion der Nebennierenrinde. Laut Lehrbuch führt dies unter anderem zu einer verminderten Libido. Möglicherweise war Kennedy ja medikamentös sehr gut eingestellt.

Die amerikanische Präsidentenlegende Franklin D. Roosevelt konnte ohne Krücken kaum gehen, mitunter saß er auch im Rollstuhl. Als Ursache dafür galt Poliomyelitits (Kinderlähmung). Neueren Forschungen zufolge könnte es sich aber auch um das Guillain-Barré-Syndrom gehandelt haben, eine seltene Nervenkrankheit.

Im Rollstuhl, allerdings nur kurz, saß auch Roosevelts Nachnachfolger, Dwight D. Eisenhower. Nach einem überstandenen Herzinfarkt posierte er so für ausgewählte Journalisten. Sieben Fotografen und ein Reporter waren eingeladen, sich von der Genesung des Präsidenten zu überzeugen.

Kreisky bei der Dialyse. Auch in Österreich wurden Krankheiten lange lieber geheim gehalten. Die Öffentlichkeit wurde nicht davon informiert, dass Bruno Kreisky in seinen letzten Regierungsjahren unter seiner Nierenerkrankung litt, die auch eine Dialyse nötig machte. Im Falle des seinerzeitigen ÖVP-Chefs Alois Mock war schon am Wahlabend des Jahres 1986 ersichtlich, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Jahre später kamen Gerüchte auf, er sei an Parkinson erkrankt. Seine Partei legte sogar Bulletins vor, dass da nichts dran sei. Erst 1995 bekannte Mock, damals Außenminister, dass er an Parkinson leide. Schwer krank hatte er davor also die EU-Beitrittsverhandlungen Österreichs geleitet – eine beachtliche Leistung. So erklärt sich wahrscheinlich auch, wieso Mock selbst nach seinem Bekenntnis nicht als Minister zurücktreten wollte. Dem Vernehmen hat der damalige ÖVP-Chef Erhard Busek seinen eigenen Rücktritt von der Parteispitze mit jenem von Mock als Außenminister verknüpft. Und so geschah es dann auch.

Die Krankheit Thomas Klestils verlief in der öffentlichen Wahrnehmung ambivalent: Erst wurde sie verheimlicht, dann nahm die ganze Nation Anteil am Schicksal ihres Präsidenten. Im Herbst 1996 war Klestil mit einer atypischen Lungenentzündung, einer Autoimmunerkrankung, ins AKH eingeliefert worden. Weder Regierung noch Öffentlichkeit wurden davon in Kenntnis gesetzt. Dies geschah erst einige Tage später. Zwei Monate später musste Klestil erneut ins Spital – mit einer Lungenembolie. Der letztlich tödliche Rückschlag erfolgte im Jahr 2004. Als Folge seiner Grunderkrankung kam es bei Klestil zu einem Multiorganversagen wenige Tage vor dem Ende seiner Präsidentschaft. Eine Nation trauerte.

Auf fünf Herzinfarkte brachte es Russlands erstes demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt Boris Jelzin, seine offensichtliche Alkoholkrankheit führte zu teils bizarren Auftritten. Einen freiwilligen Rücktritt zögerte er aber ebenso lange hinaus wie Griechenlands kranker Langzeitpremier Andreas Papandreou. Nach einem Nierenversagen trat der Grieche 1996 dann doch ab.

Außergewöhnlich ging der ehemalige slowenische Minister- und Staatspräsident Janez Drnovšek mit seiner Nierenkrebserkrankung um. Seit 1999 war dies bekannt, von 2002 bis 2007 war er Präsident. In seinen letzten Monaten im Amt trat er kaum noch öffentlich auf, zog sich mit seinem Hund in eine Berghütte zurück, wandte sich der Alternativmedizin und dem Buddhismus zu, schrieb Bücher über den Sinn des Lebens und gründete die Bewegung „Gerechtigkeit und Entwicklung“.

Auch in der deutschen Politik hat sich der Umgang mit Krankheit gewandelt. Wurden Willy Brandts Depressionen noch verschämt verschwiegen und war auch von Helmut Kohls Prostatageschwulst nichts bekannt, so waren die Krebserkrankung des Linken-Anführers Oskar Lafontaine, der Schlaganfall des früheren SPD-Verteidigungsministers Peter Struck und die lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung des heutigen bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer öffentliches Thema. Ebenso der Kreislauf- und Nervenzusammenbruch des Kurzzeit-SPD-Chefs Matthias Platzeck.

Schäuble im Rollstuhl. Immer wieder Anlass zur Sorge gibt der Gesundheitszustand des seit einem Revolver-Attentat im Rollstuhl sitzenden deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble. Ausgerechnet während der schweren Eurokrise 2010 musste er plötzlich ins Krankenhaus, da er angeblich zuvor das falsche Medikament zu sich genommen hatte. Die Krisensitzung in Brüssel fand ohne ihn statt. Mangels ihres Finanzministers als deutschsprachigem Gesprächspartner stürzten sich die deutschen Medien auf seinen österreichischen Amtskollegen. Josef Pröll wurde für kurze Zeit ein Fernsehstar in Deutschland.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2011)

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