Menschheitsevolution per Spieltheorie

Menschheitsevolution Spieltheorie
Menschheitsevolution Spieltheorie(c) AP (Cary Wolinsky)
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Entwicklung und Kooperation: Der Österreicher Martin Nowak über seine Forschung in Harvard.

Wir brauchen das Gegenüber, um Erfolg zu haben. Wir brauchen den Partner zur Evolution. Martin Nowak, österreichischer Wissenschaftler an der Harvard University, spielt sich mit diesen Begriffen, wenn es um sein Forschungsgebiet, die menschliche Entwicklung, geht. Kein Wunder: Der Biochemiker und Mathematiker geht auch von der Spieltheorie aus.

A trifft auf B, dann kommt es zur Interaktion. Nowak nutzte das niederösterreichische Kultur- und Forschungsgespräch am vergangenen Freitag im Institute of Science and Technology (IST Austria) in Maria Gugging, um Bilanz über seine bisherigen Forschungen zu ziehen. Nach der von ihm verfolgten Spieltheorie steht A vor der Entscheidung „Ich helfe dir“ oder „Ich helfe dir nicht“. Wenn auch B hilft, haben beide einen Gewinn, verweigert sich B, hat nur dieser einen Vorteil, A geht leer aus. Mit welcher Strategie soll nun A in die Kooperation gehen? Auch A könnte die Unterstützung für B verweigern, dann hat aber keiner von beiden etwas davon. Es wird, um die Entwicklung voranzutreiben, zu neuen (positiv verlaufenden) Interaktionen kommen.

A wird voraussichtlich in den meisten Fällen mit der Bereitschaft, anderen zu helfen, in die Begegnung gehen. Sollte er keine ähnlich gelagerte Hilfe erhalten, so kann er – so seine Überlegung – vielleicht vom Nächsten oder Übernächsten Hilfe und Gewinn erhalten (Nowak zitiert hier den barmherzigen Samariter in der Bibel). Auf lange Sicht zahlt sich also die Hilfe aus. Möglicherweise reduziert ein Individuum sogar die eigene Fitness, um im Gegenzug jene des anderen zu erhöhen.


Dilemma für den Spieler A. Nowak verweist auch auf ein „Dilemma“. Nach der rationalen Analyse würde zwar B den Gewinn annehmen, einen derartigen für A aber seinerseits verweigern – warum soll er auch sein Gegenüber belohnen? „Deswegen benötigt die natürliche Selektion auch eine Hilfe“ – für den Fall, dass bei einem Neuankömmling die beiderseitige Interaktion ungewiss ist. Weitaus sicherer ist diese deshalb bei der Verwandschaftsselektion (Hilfe in der Großfamilie), der räumlichen Selektion (Hilfe in einem zuvor gebildeten Cluster) oder der Gruppenselektion.

Geber und Rezipient: Die Wechselwirkung zwischen zwei Individuen ist somit für Martin Nowak der Ausgangspunkt jeder Entwicklung. Wobei die Sprache ein beschleunigtes Mittel darstellt. „Ich kann meine Idee dem anderen mitteilen und muss nicht warten, bis sich diese per Evolution durchsetzt“, sagt Nowak. Die Mitteilung von A für B kann natürlich auch fehlerhaft sein, doch auch derartige Rückschläge sind in der Reihe der Mutationen durchaus der Fall. Doch ist dies zumeist die Ausnahme.

Der gebürtige Klosterneuburger Martin Nowak forscht und lehrt seit 2003 an der Harvard University. Für ihn ist die Kooperation gemeinsam mit der Mutation und der Selektion das dritte Grundprinzip der Evolution.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.04.2011)

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