Schweiz: SVP koppelt Atom- an Ausländerpolitik

SVP President Brunner holds a mock up of glasses during a party meeting in Lugano
SVP President Brunner holds a mock up of glasses during a party meeting in Lugano(c) REUTERS (Fiorenzo Maffi)
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Der Parteichef der rechtskonservativen SVP sieht bei ungebremster Einwanderung die Notwendigkeit neuer AKW. "Der Stromverbrauch steigt wegen der Zuwanderung", sagt er.

Bisher hat die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) in der Atom-Diskussion nach Fukushima vor allem geschwiegen. Nun meldet sie sich mit konkreten Vorschlägen zu Wort. Im Mittelpunkt steht die Verknüpfung der drängenden energiepolitischen Fragen mit den beiden Lieblingsthemen der Partei: der Ausländer- und Migrationspolitik.

Parteipräsident Toni Brunner (SVP) stellte in der Sonntagspresse klar: "Der Stromverbrauch steigt wegen der Zuwanderung". Viele dieser Zuwanderer kommen aus Deutschland, und dort drohen Politiker mit einer Staatsklage gegen die Schweiz. Stein des Anstoßes ist das AKW Beznau unweit der deutschen Grenze.

Die Volkspartei stand bisher für den Atomkurs ein, und ist in den vergangenen Wochen vor allem durch SVP-untypisches Stillhalten aufgefallen. Nun sorgt die Partei mit provokativen Vorschlägen für Schlagzeilen. Die Rechnung von Brunner ist einfach: "Geht die Einwanderung so ungebremst weiter wie bisher, kommen wir nicht um den Bau neuer Kernkraftwerke herum".

Das Futter dafür liefert Parteikollege Walter Wobmann (SVP), der mit seiner parteiinternen Gruppe "Asyl und Ausländer" an einer Einwanderungsbremse arbeitet. Ein Anstieg der Bevölkerung um 100.000 Personen erhöhe den Energiebedarf um rund eine Milliarde Kilowattstunden, stellt er fest. "Seit 2007 sind 320.000 Personen in die Schweiz eingewandert, das KKW Mühleberg produziert jährlich rund drei Milliarden Kilowatt Strom".

Wobmanns Fazit: "Ohne Zuwanderung könnten wir uns heute Mühleberg sparen." Dieser Meiler im Kanton Bern ist seit 1972 in Betrieb. Wobmann selbst ist vor allem als Präsident des Komitees der Anti-Minarett-Initiative bekanntgeworden, die Ende 2009 von den Schweizer Stimmbürgern angenommen wurde.

Offenbar stößt Wobmanns Vorschlag nicht nur bei der bei der Parteispitze auf Zustimmung. SVP-Energiespezialist Hans Killer, Nationalrat aus dem Atom-Kanton Aargau (drei der fünf Schweizer Meiler stehen dort) gibt sich zuversichtlich. Durch ein Bremsen des Energieverbrauchs über die Zuwanderung "können wir uns vielleicht tatsächlich neue Kernkraftwerke sparen", betonte er.

Damit nicht genug. Die kurz nach der Fukushima-Katastrophe verhängte Sistierung der Rahmenbewilligungsgesuche für neue Atomkraftwerke stelle die bisherige Energiepolitik in Frage. Im Nationalrat will Killer deshalb am Montag einen weiteren energiepolitischen "Paukenschlag" lancieren, berichtet Sonntagspresse: Die Sistierung des CO2-Gesetzes. "Es geht nicht an, über den Ausstieg aus der Kernenergie zu reden und gleichzeitig Klimaschutz betreiben zu wollen, als wäre nichts geschehen."

Ärger droht auch aus Deutschland. Fritz Kuhn, Vizechef der Grünen-Fraktion im Bundestag, fasste die Anliegen von SPD und Grünen an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in der "SonntagsZeitung" zusammen: "Wir verlangen von Merkel, dass sie sich bei der Schweiz für eine Abschaltung der Schrottmeiler an der deutschen Grenze einsetzt."

Sollten die Gespräche mit Bern nichts fruchten, dränge die SPD-Fraktion, dass die Bundesregierung eine Staatsklage gegen die Schweiz einreicht. Eine Gefährdung der deutschen Bevölkerung durch mangelhafte Sicherheitsstandards in den Nachbarländern könne nicht hingenommen werden, sagte Ulrich Kelber, stellvertretender SPD-Fraktionschef.

Im Visier der Deutschen steht dem Blatt zufolge der Reaktor Beznau 1. In der rund zehn Kilometer von der deutschen Grenze entfernten Anlage steht mit Beznau 2 ein weiterer Reaktor. In Betrieb sind sie seit 1969 beziehungsweise 1971. Am Stresstest, den die EU an allen Atomkraftwerken durchführen lässt, will die Schweiz nicht teilnehmen. Vehement wehrt sich auch die Beznau-Betreiberin Axpo. Die beiden Meiler entsprächen den Sicherheitsvorgaben der Schweizer Aufsichtsbehörde Ensi (Eidgenössisches Nuklearsicherheitsinspektorat), sagte ein Konzernsprecher gegenüber dem Blatt.

Laut dem Schweizer Außenministerium (EDA), unter Führung der Sozialdemokratin Micheline Calmy-Rey (SP), wäre eine Klage aus Deutschland haltlos. "Voraussetzung für die Einreichung einer Staatsklage gegen die Schweiz ist eine klare Verletzung des Völkerrechts", betonte EDA-Sprecher Georg Farago.

Im Fall des KKW Beznau sei eine solche nicht ersichtlich. "Deshalb müssten wir die Angelegenheit genau prüfen, wenn denn tatsächlich eine Staatsklage eingereicht würde", sagte Farago weiter.

(Ag.)

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