Rücktritt: Westerwelles erster Abgang

Leader of FDP and German Foreign Minister Westerwelle addresses news conference following a party mee
Leader of FDP and German Foreign Minister Westerwelle addresses news conference following a party mee(c) REUTERS (Tobias Schwarz)
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Der FDP-Chef will auf dem Parteitag im Mai nicht mehr für den Vorsitz kandidieren. Einen Neuanfang brauchen nicht nur die Liberalen dringend, sondern auch die schwarz-gelbe Regierung.

Berlin. Es kam nicht unerwartet, dann aber doch schneller als gedacht. Noch vor der Präsidiumssitzung der FDP am Montag, bei der über die künftige Führung entschieden werden sollte, luden die Liberalen Sonntag am frühen Abend in die Parteizentrale. So kurzfristig, dass sich die Hauptstadtjournalisten sputen mussten – weit versprengt an diesem ersten traumhaften Frühlingstag.

Mit steinerner Miene trat Guido Westerwelle (49) vor die Presse und kündigte kurz und bündig an, dass er auf dem FDP-Parteitag Mitte Mai nicht mehr für den Vorsitz kandidieren würde. Die Entscheidung, die er sich reiflich überlegt habe, falle ihm einerseits schwer, so Westerwelle, weil er nach zehn Jahren als Parteivorsitzender mit Herzblut bei der Sache sei, andererseits leicht, weil eine Reihe fähiger junger Leute für die Nachfolge bereit stehe. Sein Verzicht auf den Parteivorsitz sei die richtige Entscheidung, um mit einem Generationswechsel für einen Neuanfang zu sorgen.

Druck wurde zu groß

Sprach's und verschwand nach gut zwei Minuten von der Bühne. Die Frage eines Journalisten verhallte unbeantwortet. Warum erst jetzt? Schon lang war der Druck auf Westerwelle groß gewesen, die FDP-Führung niederzulegen, doch er wollte „das Deck nicht verlassen, wenn es stürmt“. Zuletzt stürmte es freilich besonders heftig, nachdem die Liberalen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz miserabel abgeschnitten hatten.

Außenminister will Westerwelle bleiben, zum Amt des Vizekanzlers äußerte er sich nicht. Parteiintern wurde eine weitere Demontage des Noch-Chefs nicht ausgeschlossen: Westerwelle müsste möglicherweise auch als stellvertretender Regierungschef weichen, um die Rolle des neuen Parteivorsitzenden in der Koalition zu stärken, hieß es.

Wer aus der Riege der Jungen Nachfolger an der FDP-Spitze wird, stand Sonntag noch nicht fest. Als Favorit gilt Philipp Rösler (38), Gesundheitsminister und Landesparteichef von Niedersachsen (siehe unten). Möglich wäre auch, dass die Wahl auf Generalsekretär Christian Lindner (32) fällt.

Einen Neuanfang haben die Liberalen jedenfalls bitter nötig. Nach ihrem Rekordergebnis von fast 15 Prozent bei der Bundestagswahl im Herbst 2009 liegen sie jetzt in bundesweiten Umfragen unter fünf Prozent. In Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt verpassten sie bei den Wahlen den Einzug in den Landtag. Die thematische Verengung auf Steuererleichterungen hat der FDP massiv geschadet, sie strebt nun auch nach einer inhaltlichen Neuaufstellung. Ob personell der Rückzug Westerwelles vom Parteivorsitz reicht, ist fraglich. Auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle stark angeschlagen, seine Äußerungen zur Atomwende, die er als wahltaktisch motiviert bezeichnete, gaben der FDP den Rest.

Koalition auf dem Prüfstand

Die verlorene Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, gilt es nicht nur für die FDP, sondern für die Regierung überhaupt. Auch sie braucht dringend einen Neuanfang, wenn sie überleben will. Dringlichste Aufgabe ist es, die gesetzliche Grundlage für eine dauerhafte Abschaltung der alten AKW zu schaffen, über die inzwischen Konsens zu herrschen scheint.
Vom „Herbst der Entscheidungen“ aus dem Vorjahr ist wenig übrig: Die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke ist überholt, die Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze musste korrigiert werden, die Reform der Bundeswehr steht in den Sternen. Hoch an der Zeit, dass ein Frühlingserwachen folgt, mit einem Koalitionspartner FDP, der wieder auf die Beine kommt. Wenn es denn gelingen sollte.

Auf einen Blick

Guido Westerwelle tritt im Mai nicht mehr als Chef der deutschen Liberalen an, bleibt aber Außenminister und Vizekanzler. Die beiden jüngst in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verlorenen Landtagswahlen hatten dazu geführt, dass mehr und mehr Parteifreunde von ihm abrückten und einen Neuanfang forderten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4. April 2011)

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