Deutschland: Liberale basteln an Personalrochaden

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Die Vorentscheidung über den neuen Parteichef soll am Dienstag fallen. Westerwelle ist bereit, auf den Posten des Vizekanzlers zu verzichten. Es könnte allerdings auch zu Änderungen bei den Ministerposten kommen.

Berlin. Nach der Ankündigung Guido Westerwelles, den Platz an der Spitze der FDP zu räumen, arbeiten die Liberalen mit Hochdruck an ihrer personellen Neuaufstellung. Wer dem Parteichef nachfolgen wird, soll zwar erst heute, Dienstag, bei einer Sitzung von Präsidium und Landeschefs entschieden werden; schon gestern zeichnete sich jedoch ab, dass es möglicherweise umfassende Rochaden geben könnte, die auch Ministerposten betreffen.

Eine einzige personelle Veränderung reiche nicht aus, erklärte Daniel Bahr, Landeschef der nordrhein-westfälischen und mitgliederstärksten FDP: „Wir müssen über die ganze Mannschaftsaufstellung reden, die uns in den nächsten Jahren erfolgreich führen soll“, so Bahr im Deutschlandfunk.

Führung „im Team“

Westerwelle, der nicht mehr als Spitzenkandidat für die nächste Bundestagswahl 2013 zur Verfügung stehen wird, will Außenminister bleiben, beharrt aber nicht auf dem Posten des Vizekanzlers. Es sei völlig klar, dass „der nächste Parteivorsitzende, wenn er dem Kabinett angehört, auch Vizekanzler wird“. Dies wäre der Fall, wenn die Wahl auf Gesundheitsminister Philipp Rösler (38) fiele. Er gilt als Favorit für den Vorsitz. Zeitungsberichte, denen zufolge es bereits eine Einigung auf Rösler gebe, bezeichnete FDP-Generalsekretär Christian Lindner (32) am Montag allerdings als Spekulation. Auch er ist ein möglicher Kandidat.

Lindner betonte, dass die FDP künftig von einem Team geführt werden soll: „Es geht eben nicht nur um den Steuermann, sondern es geht auf einem Regattaboot auch um den Vorschoter. Nur dann ist man erfolgreich, wenn beide Hand in Hand arbeiten.“

Für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist der angekündigte Rückzug Westerwelles vom Parteitag zwar ein „Einschnitt“, für eine Kabinettsumbildung sieht sie jedoch keine Notwendigkeit. Die FDP könnte allerdings über eine Neubesetzung von Ministerposten entscheiden: So wurde in Berlin zuletzt gemunkelt, Rösler habe als Bedingung für die Übernahme des Parteivorsitzes gestellt, dass er das Wirtschaftsressort erhalte. Dieses führt derzeit Rainer Brüderle, der laut Lindner im Präsidium am Montag „seinen weiteren Gestaltungsanspruch“ unterstrich.

Brüderle steht aber innerparteilich in der Kritik. Sein Rückzug als Landeschef von Rheinland-Pfalz nach dem Absturz bei den dortigen Landtagswahlen ist vielen Liberalen zu wenig. Sollte Brüderle von Rösler abgelöst werden, könnte als Gesundheitsminister Daniel Bahr folgen. Die FDP-Vorsitzende im Europäischen Parlament, Silvana Koch-Mehrin, brachte gar eine Neuverteilung der Ministerposten zwischen CDU/CSU und FDP ins Gespräch.

Außenminister auf Abruf?

Auch Westerwelles Zukunft als Außenminister scheint ungewiss. Nicht nur SPD und Grüne halten ihn in dieser Funktion für untragbar, auch aus der FDP selbst kommen kritische Stimmen: „Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen“, erklärte etwa Martin Lindner, technologiepolitischer Sprecher der Partei.

Der Alt-Liberale und frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum hält einen glaubwürdigen Neuanfang nur ohne Westerwelle für machbar. „Es ist den Bürgern schwer zu vermitteln, dass jemand vom Parteivorsitz zurücktritt, weil die Partei ihn nicht mehr will, gleichzeitig aber noch das Land nach außen vertreten soll“, so Baum zu „Spiegel online“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.04.2011)

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