Martin Kušej: Kampfansage an Hartmann

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Der künftige Münchner Residenztheater-Intendant Kušej will der Burg prominente Schauspieler von Minichmayr bis Schwab abfischen. Keine Chance, sagt das Burgtheater. Gefahr für Wien ist dennoch im Verzug.

Für Rumoren in Theaterkreisen sorgte dieser Tage ein Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“). Martin Kušej, renommierter Theater- und Opernregisseur, ab Herbst Intendant des Bayerischen Staatsschauspiels in München, erklärte, er habe wichtige Schauspieler des Burgtheaters gewonnen – und seine Schauspieler dürfen nicht an anderen Bühnen auftreten. Namen: Birgit Minichmayr, Nicholas Ofczarek, Martin Schwab werden künftig am Residenztheater sein, ferner Tobias Moretti, Kušejs Ottokar, Werner Wölbern, der in Kušejs Burgtheater-Inszenierung von Grillparzers „Weh dem, der lügt“ den Koch Leon spielte, Sophie von Kessel, 2008/2009 Buhlschaft im Salzburger „Jedermann“, Eva Mattes, Norman Hacker, Sebastian Blomberg usw.

Das Burgtheater reagierte prompt: „Ensemble wohlauf!“, ließ Matthias Hartmann ausrichten: „Für die nächste Spielzeit sind keine Vertragsauflösungen bekannt. Wir fühlen uns geschmeichelt, dass sich ein Münchner Theater mit unseren Schauspielern schmückt und werden Auftritte an anderen Bühnen nach Möglichkeit unterstützen.“ Genau: Was spricht dagegen, dass Burgmimen einmal woanders Lorbeeren einheimsen? Einige der von Kušej Genannten (Moretti, Wölbern) sind freie Schauspieler. Warum soll ein Moretti, der an der Burg begann, in Klassikern schwitzen, wenn er sich vor Filmangeboten nicht retten kann?

Hartmann wurde Burgchef, besiegte Kušej

Die früher strenge Trennung zwischen Unterhaltung und Hochkultur ist aufgehoben. Theaterschauspieler sind in Filmen zu sehen und umgekehrt. Was selten beachtet wird: Dem Steuerzahler spart das Geld, weil er große Namen auf der Bühne erleben kann, aber nicht ihren vollen Marktpreis bezahlen muss. Auch Direktoren dürfen sich freuen: Film, TV verschaffen ihnen „Stars“.

Mimen sind heute mobiler als früher. Burgschauspieler allerdings verlassen selten das Burgtheater, wenn sie arriviert sind. Das ist spätestens seit Claus Peymann bekannt, der bei seinem Abgang drohte, sein Ensemble nach Berlin mitzunehmen. Die meisten sind noch immer an der Burg: wegen des liebenswürdigen Publikums, wegen der Arbeitsbedingungen, wegen der Gage.

Die Kampfansage Kušejs sollte trotzdem ernst genommen werden. Er kämpfte mit Hartmann ums Burgtheater. Franz Morak (VP), damals Kunststaatssekretär, früher Burgschauspieler, zog den verbindlichen sympathischen Deutschen dem kantigen Kärntner vor. Ein Grund: Morak (VP) hoffte, dass die Burg mit Hartmann vor weiterer Österreich-Beschimpfung und Erregungen à la Peymann sicherer sein werde als bei Kušej.

Die Entscheidung war o. k., aber sie hatte Nachteile: Hartmann fährt einen teils kulinarischen Kurs, mit dem er, dank großartiger Mimen, die Häuser füllt. Aber es gibt mittlerweile Künstler und auch Besucher, die sich ein Programm wünschen, das mehr herausfordert und zum Nachdenken anregt.

Auch Rezensenten sehen den Kuschelkurs der Burg mit ihrem Publikum kritisch. Nun wirkt Theater vor allem lokal. Auswärtige Kritiker füllen keine Kassen, aber sie urteilen aufgrund langjähriger Erfahrung und machen Stimmung. München und Wien sind wichtige, einander nahe Theaterstädte. Wien ist als Theaterstadt weniger kontroversiell, interessant und spannend unterwegs als München: mit Kušej am Residenztheater, Nikolaus (ehemals Klaus) Bachler in der Bayerischen Staatsoper, Johan Simons, Niederländer mit Performance-Qualität in den Kammerspielen, die anders als in Wien eine führende Avantgardebühne waren, speziell unter Simons Vorgänger Frank Baumbauer. Kurzum: Die Chancen der Münchner Bühnen, ästhetisch führend oder gar progressiv im deutschen Sprachraum zu sein, sind gut.

Kulinarische Burgtheater-Führung

Das Burgtheater ist zwar ordentlich geführt, strengt sich aber nur mittelmäßig an. Die Josefstadt strengt sich an, hat aber viele Abonnenten und eine hohe Eigendeckung, ca. das Doppelte vom Burgtheater. Da kann man nicht alles riskieren. Das Volkstheater? Brav, aber frei von echten Sensationen. Kušejs „Ansagen“ mag man als impulsive Attacke abtun. Aber: Wien muss aufpassen, dass es beim Theater wettbewerbsfähig bleibt und nicht in die Regionalliga absinkt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2011)

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