Zahlreiche Frauen und Kinder aus Somalia und Eritrea ertranken auf dem Weg nach Italien. Rom erhöht den Druck auf Tunesien und EU. Die Überlebenden wurden nach Lampedusa gebracht und dort medizinisch behandelt.
Rom. Die Überfahrt in ein besseres Leben endete tödlich. Vermutlich bis zu 200 Bootsflüchtlinge sind in der Nacht auf Mittwoch in stürmischer See auf dem Weg zur Insel Lampedusa ertrunken. 48 Menschen konnten gerettet werden. Nach Angaben der italienischen Behörden war das Boot zwei Tage zuvor in der libyschen Stadt Zuwara ausgelaufen, an Bord sollen sich vor allem Eritreer und Somalier befunden haben. Die Überlebenden wurden nach Lampedusa gebracht und dort medizinisch behandelt. Sie berichteten, dass auch viele Frauen und Kinder an Bord waren.
Auf Lampedusa hat sich die Lage in den vergangenen Tagen etwas entspannt, seit die italienische Regierung mehr Schiffe im Einsatz hat, um die Flüchtlinge wegbringen zu lassen. Doch jeden Tag kommen neue an, noch immer überwiegend aus Tunesien. Die Regierung in Rom hat unterdessen durchgesetzt, dass auch die reichen Kommunen im Norden des Landes Flüchtlinge aufnehmen. Bis vor wenigen Tagen waren sie ausschließlich auf Auffanglager und Zeltstädte in Sizilien, Apulien und Kalabrien verteilt worden, die alle überfüllt sind.
Tunis will schärfer kontrollieren
Gleichzeitig verstärkt Rom den Druck auf die Übergangsregierung in Tunesien und auf die EU. Ministerpräsident Silvio Berlusconi war am Montag eigens mit Innenminister Roberto Maroni (Lega Nord) nach Tunis gereist. Ein Rückführungsabkommen zwischen beiden Ländern ist nach dem Umsturz in Tunesien zwar auf dem Papier weiterhin gültig, faktisch jedoch ausgesetzt. Völlig überraschend für die EU-Staaten hatte nach dem Zusammenbruch des Regimes eine beispiellose Auswanderungswelle eingesetzt. Nach zähen Verhandlungen verpflichtete sich Tunesien, die Küsten schärfer zu kontrollieren und Flüchtlinge begrenzt rückzuführen. Italien stellt Schiffe und 100 Millionen Euro zur Verfügung.
Die italienische Regierung warnt seit Wochen vor einem „Exodus biblischen Ausmaßes“ aus Nordafrika. Bei den rund 22.000 Tunesiern, die bereits nach Italien gekommen sind, handelt es sich nach Ansicht Roms jedoch überwiegend um reine Wirtschaftsflüchtlinge, die deshalb keinen Anspruch auf politisches Asyl haben.
Ausreise in andere EU-Staaten?
Berlusconi kündigte nach seiner Rückkehr aus Tunesien an, dass Italien nun auch erwägt, den Neuankömmlingen eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen zu erteilen. Damit könnten die Flüchtlinge aus Italien jederzeit legal in andere Schengen-Staaten einreisen. „Wir sind nicht länger bereit, die Lasten allein zu tragen“, sagte Berlusconi. Seine Regierung hat mehrfach vehement mehr Unterstützung aus Brüssel gefordert. Dort wiederum ist man der Ansicht, dass ein Land wie Italien in der Lage sein müsse, 20.000 Flüchtlinge unterzubringen und hat lediglich finanzielle Unterstützung zugesagt.
EU-Innenkommissarin Cecila Malmström fordert aber mittlerweile, dass auch andere Länder Flüchtlinge aufnehmen. „Der anhaltende und möglicherweise anwachsende Strom von Flüchtlingen aus Libyen ist ein Anlass zu großer Besorgnis“, so Malmström. Derzeit gilt, dass das EU-Land, das Flüchtlinge zuerst betreten, für sie bei Asylverfahren zuständig bleibt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2011)