„Ausbildungspflicht“ mit Strafe?

Arbeitsmarkt. Minister Hundstorfer will die Familienbeihilfe streichen, sollten sich Jugendliche den Plänen der Regierung widersetzen.

Wien/Pö/Apa. Sozial- und Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) will schon in den nächsten Monaten die 2008 von der Regierung abgegebene „Ausbildungsgarantie“ für Lehrlinge in eine „Ausbildungspflicht“ verwandeln: 15-jährige Schulabgänger, die noch nicht fit für eine Lehre sind, sollen eine mehrmonatige Grundausbildung machen müssen, damit sie doch noch eine Lehre antreten können – „Die Presse“ berichtete bereits von diesem Plan. Hundstorfer schließt nun auch Sanktionen nicht aus, sollten Jugendliche nach der Schule keine solche Ausbildung machen. Denkbar wäre ein Entzug der Familienbeihilfe bei Verweigerung der Grundausbildung, präzisierte der Minister am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“. Mit einer „Ausbildungspflicht“ – inklusive Sanktionen – will der Minister die Karrierechancen von Jugendlichen steigern. Denn ohne Ausbildung stünden die „Ampeln auf Rot“.

Aktuell sind es rund 10.000 der 100.000 jungen Menschen, die jedes Jahr die Schulpflicht (mit 15 Jahren) beenden, und danach entweder nur Hilfsarbeiten verrichten oder überhaupt nicht auf dem Arbeitsmarkt bzw. in einer Ausbildung auffindbar sind. „Meine Sorge sind die 10.000 Jugendlichen pro Jahrgang, weil die gehen in eine Generation ohne Zukunft“, so Hundstorfer. Ebenfalls fast 10.000 Jugendliche unter 19 waren zuletzt pro Monat arbeitslos gemeldet. 5000 Unter-19-Jährige suchen nicht einmal einen Job.

Ansetzen will Hundstorfer nicht nur bei den Jugendlichen selbst, sondern vor allem auch bei den Unternehmen: Sie sollten Jugendliche, die nicht in einer Ausbildung sind, nicht mehr ohne Weiteres anstellen dürfen. Denn sonst würden „Jugendliche frühzeitig als Hilfskräfte abgestempelt“, so der Minister.

Kampf gegen Frühpensionen

Baldige Reformen kündigte Hundstorfer auch für den Bereich der Pensionen an. Zur geplanten Anhebung des Pensionsalters sagte er einmal mehr, es gebe das Problem der Invaliditätspension, die das Antrittsalter massiv senke. Hier wolle man mit Vorsorgeprogrammen gegensteuern. Doch auch die Einstellung der Arbeitgeber müsse sich ändern: Derzeit würden Arbeitnehmer oft ermutigt, ehestmöglich in Pension zu gehen.

Hundstorfer habe keine echte Lösung gegen die Flut an Frühpensionen parat, kritisierte daraufhin, neben anderen Oppositionellen, FPÖ-Seniorensprecher Werner Neubauer. Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl (ÖVP) begrüßte, dass Hundstorfer um Anreize für einen späteren Pensionsantritt kämpfe. Die Kammer befürwortet auch dessen Plan einer „Ausbildungspflicht“ für 15- Jährige; eine Verknüpfung mit der Familienbeihilfe wäre „ein hilfreiches Instrument“, so Leitl. Auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hatte sich schon positiv zur „Ausbildungspflicht“ geäußert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2011)

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