Das große Schweigen zum Morden in Afrikas Diktaturen

Gastkommentar. Kritische Anmerkungen zum Besuch einer Delegation von österreichischen Nationalratsabgeordneten in Burkina Faso.

Seit November 2010 dominieren die Länder Nordafrikas die Schlagzeilen. Nach jahrelangem Schweigen gegenüber den Diktaturen in Tunesien, Libyen und Ägypten mussten die EU-Länder zur Kenntnis nehmen, dass sie nicht länger wegsehen konnten. Inzwischen engagieren sich einige EU-Länder sogar im Krieg gegen Gaddafis Truppen.

Doch was ist eigentlich mit den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, wo die Dichte an Diktatoren derzeit zu den höchsten der Welt gehört? Die Reise österreichischer Parlamentarier nach Burkina Faso zeigt, dass man weiter gewillt ist, Menschenrechtsverletzungen und die blutige Niederschlagung von Protesten zu tolerieren; zumindest, wenn sie südlich der Sahara stattfinden.

Vom 20. bis 27. März 2011 unternahmen fünf Nationalratsabgeordnete, nämlich die entwicklungspolitischen Sprecher der jeweiligen Parteien, eine Reise nach Burkina Faso in Westafrika: Petra Bayr (SPÖ), Franz Glaser (ÖVP), Johannes Hübner (FPÖ), Judith Schwentner (Grüne) und Martina Schenk (BZÖ) konnten sich eine Woche lang ein Bild von den österreichischen Hilfsleistungen für Burkina Faso machen.

Immerhin unterstützt Österreich das westafrikanische Land im Rahmen der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit mit Geldern im Umfang von mehr als vier Millionen Euro im Jahr. Projekte zu besuchen und sich im Nationalrat dann für die Erhöhung des Entwicklungszusammenarbeit-Budgets einzusetzen war das Ziel dieser Reise.

Schüsse in der Hauptstadt

Um die österreichische Öffentlichkeit über die Lage in Burkina Faso zu informieren, waren Journalisten von Ö1, „Tiroler Tageszeitung“, „Profil“ und „Standard“ Teil der Reisegruppe. Organisiert wurde die Reise von der Austrian Development Agency (ADA). Während die Delegation in Burkina Faso zu Besuch war, glich das Land keiner Insel des Friedens. Laut mehreren unabhängigen Tageszeitungen in Burkina Faso sowie internationaler Radiosender wie „Radio France Internationale“ wurde in der Nacht von 22. auf 23. März in Ouagadougou viel geschossen. Das Militär demonstrierte; es forderte die Freilassung mehrerer Soldaten, die einen Mann gefoltert hatten.

Ungesühntes Verbrechen

Bei dem Aufruhr wurde ein Dutzend Menschen verletzt, Geschäfte und Tankstellen geplündert. Die Soldaten wurden freigelassen. Richter, Gerichtsvollzieher und Anwälte protestierten, weil die Regierung das Militär schütze. Am selben Tag demonstrierten auch hunderte Händler in der Hauptstadt gegen das ungestraft gebliebene Verbrechen von Soldaten.

Am 15. März berichtete die APA zur Situation in Burkina Faso: „Die Unruhen in dem westafrikanischen Land waren im Februar ausgebrochen, nachdem ein 16-jähriger Schüler in Polizeigewahrsam gestorben war. Die Regierung behauptet, der Schüler sei an Meningitis gestorben. Schüler und Studenten machen dagegen Misshandlung durch die Polizei für seinen Tod verantwortlich.“ Danach, berichtete die kritische Tageszeitung „L'Observateur Paalga“, kam es im ganzen Land zu Protesten, die bis heute andauern. Schulen und Universitäten sind inzwischen geschlossen.

Während die österreichische Parlamentarierdelegation – die erste aus einem demokratischen Land – durch Burkina Faso tourte, gab es also erwiesenermaßen Unruhen. Menschen wurden von Soldaten willkürlich ermordet. Die Österreicher sprachen vor Ort auch mit Oppositionellen. Die wiesen auf die aktuell angespannte Situation im Land hin. Trotzdem wurde über die Geschehnisse in Burkina Faso geschwiegen.

Warum die Parlamentarier in ihren Presseaussendungen sowie die Journalisten nach der Reise kaum etwas von der angespannten politischen Situation berichtet haben, bleibt unklar. Dass sie aber über die afrikanischen Opfer einer Diktatur schweigen, wirft ein trübes Licht auf parlamentarische Emissäre und ist vom demokratischen Standpunkt aus absolut nicht zu verstehen.

Im Artikel §1 Abs 3 des Bundesgesetzes über die Entwicklungszusammenarbeit sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und gute Regierungsführung als klare Ziele festgeschrieben.

Im Fall Burkina Faso haben die Nationalratsabgeordneten diese Ziele leider klar verfehlt. Was allerdings noch zu klären wäre: warum das Schweigen über Proteste in Westafrika, wo die Proteste in Nordafrika in den letzten Wochen doch so breit diskutiert wurden?

Nur „interne Angelegenheiten“?

Möglicherweise ist den Parlamentariern das Leben von Afrikanern in Burkina Faso einfach egal. Doch machen sie sich damit nicht zu Mittätern dessen, was in in der Diktatur Burkina Faso stattfindet?

Auf meine Anfrage hin begründete ein Abgeordneter das Schweigen wie folgt: „Das sind interne Angelegenheiten, und außerdem war das nicht unsere primäre Aufgabe.“ Das lässt tief blicken und wirft die Frage auf, was denn als Aufgabe eines „Entwicklungssprechers“ eigentlich zu verstehen ist.

Dass die Versorgung der eigenen Wählerschaft mit objektiven Informationen nicht dazugehören soll, ist jedenfalls skurril. Und die massiven Verletzungen der Menschenrechte scheinen die Parlamentarier nicht sonderlich zu empören. Sie schweigen einfach dazu. Wahrlich eine Schande für „Entwicklungssprecher“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2011)

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