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Türkisch als Fremdsprache – warum diese Aufregung?

Niemand wird dazu gezwungen, Türkisch zu lernen. Für ein Türkisch-Angebot an den AHS gibt es gute Gründe.

Die Meldung, dass Türkisch als Fremdsprache und Maturafach an österreichischen AHS eingeführt werden soll, hat in den letzten Tagen erstaunliche Aufregung verursacht. Bei der DiePresse.com-Umfrage dazu sprachen sich 72 Prozent dagegen aus. In der Diskussion gewinnt man den Eindruck, es würden plötzlich alle österreichischen SchülerInnen gezwungen, Türkisch zu lernen.

Die Aufregung ist schwer nachzuvollziehen. Betrachten wir die Angelegenheit nüchtern: Türkisch, die zweitgrößte Sprachgruppe in Österreich, wird im Rahmen des muttersprachlichen Unterrichts – so wie 17 andere Sprachen – jetzt schon unterrichtet; Türkisch wird als Fremdsprache an den Hauptschulen jetzt schon angeboten. Türkisch ist im Rahmen eines Schulversuchs an einer AHS in Wien seit 2005 Maturafach. Und jetzt soll es – zu den jetzt schon zwölf Sprachen, die der Lehrplan der AHS als Fremdsprache vorsieht,– als eine weitere Fremdsprache dazukommen. Diejenigen SchülerInnen, die sich freiwillig dafür entscheiden, können dann statt einer dieser Sprachen eben Türkisch als zweite Fremdsprache lernen. Ein Teil davon werden vermutlich SchülerInnen sein, die als Muttersprache Türkisch sprechen. So wie SchülerInnen mit Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS) jetzt schon die Möglichkeit haben, ihre Muttersprache im Fremdsprachenunterricht in der AHS zu lernen. Ein Modell, das in anderen europäischen Ländern durchaus üblich ist, wie etwa in Frankreich, wo Arabisch in dieser Form angeboten wird.

Es gibt gute Gründe für so ein Angebot, sobald ein Lehramtsstudium für Türkisch eingerichtet ist. Und das ist an der Uni Graz ja vorgesehen. So sollte aus sprachenrechtlichen Gründen eigentlich jedem Kind die Möglichkeit gegeben werden, in seiner Familiensprache gut literalisiert zu werden. Man stelle sich vor, die deutschsprachigen Kinder hätten keinen schulischen Unterricht in der deutschen Sprache: Viele würden wohl die Mitvergangenheit der starken Verben nie lernen oder häufig den dritten und vierten Fall verwechseln. Von einer Beherrschung der Rechtschreibung ganz zu schweigen.

Auch die Tatsache, dass eine gut ausgebildete Erstsprache eine wichtige Rolle für das erfolgreiche Erlernen der Zweitsprache bildet, spricht für das Angebot in und eine Wertschätzung der Minderheitensprachen. Denn schließlich gibt es in vielen Institutionen, wie Schulen, Kindergärten, Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen, und bei der Exekutive einen erheblichen Bedarf an gut qualifizierten zwei- und mehrsprachigen Menschen mit Deutsch-, Türkisch- oder BKS-Kenntnissen.

 

E-Mails an: lehrer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2011)