Ausbildungspflicht: Warnung vor strafweisem Entzug der Familienbeihilfe

Ausbildungspflicht Warnung strafweisem Entzug
Ausbildungspflicht Warnung strafweisem Entzug(c) FABRY Clemens
  • Drucken

Die im Rahmen einer Ausbildungspflicht überlegte strafweise Streichung der Familienbeihilfe sei "verfassungsrechtlich fragwürdig", sagt der Arbeitsrechts-Experte Wolfgang Mazal.

Wien/ett. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) stößt bei seinen Plänen für eine Ausbildungspflicht für Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren an Grenzen. Die von ihm in der ORF-„Pressestunde“ am Sonntag überlegte strafweise Streichung der Familienbeihilfe, wenn Jugendliche nicht mitmachen, löst beim Arbeitsrecht- und Sozialexperten Wolfgang Mazal massive Bedenken aus. „Das ist verfassungsrechtlich zweifellos fragwürdig“, warnt dieser im Gespräch mit der „Presse“.

Mazal betont, es falle ihm seit Monaten auf, dass „über das Wesen der Familienbeihilfe offenbar ein Wissensdefizit herrscht“. Es handle sich um „keine Sozialleistung, die nach Gutdünken oder Ermessen gegeben oder entzogen werden kann“. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs sei die Beihilfe ein Ausgleich zur Unterhaltspflicht. So lange jemand unterhaltspflichtig sei, verlange der Verfassungsgerichtshof, dass neben steuerlichen Maßnahmen Familienbeihilfe gewährt werde. Unterhaltspflicht bestehe auch gegenüber jungen Menschen in Ausbildung. Mit dem Wegfall der Familienbeihilfe würden „Eltern um ihre Rechte gebracht“.
Von der Wirtschaftskammer wird die Ausbildungspflicht begrüßt – wie am 31. März in der „Presse“ von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Für Kammerchef Christoph Leitl ist die Verknüpfung mit der Familienbeihilfe „ein hilfreiches Instrument“.

Nur bei Jungen „salonfähig“

Mazal hält zwar alle Versuche, die Qualifikation junger Menschen zu verbessern, für sinnvoll. Seine Vorbehalte gegen den Entzug der Familienbeihilfe begründet er mit einem Vergleich: Wolle ein älterer Mensch vorzeitig in Pension gehen und müsste dieser dafür eine höhere Steuerlast tragen, so gelte dies als „nicht einmal im Ansatz diskutabel“. Bei jüngeren Menschen werde hingegen Ähnliches als „salonfähig“ vorgeschlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 121.04.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Ausbildungspflicht Mitterlehner fuer Anreiz
Schule

Ausbildungspflicht: Mitterlehner für Anreiz statt Sanktion

Der Wirtschaftsminister ist gegen Sanktionen wie etwa eine Streichung der Familienbeihilfe. Stattdessen sollen Anreize die Jugendlichen zur Ausbildung motivieren.
Ausbildungspflicht Auch oeVP grundsaetzlich
Schule

Ausbildungspflicht: Auch ÖVP grundsätzlich dafür

Bei Wirtschaftsminister Mitterlehner trifft der Vorschlag von Sozialminister Hundstorfer auf offene Ohren. Bei den möglichen Sanktionen bestehe aber noch "Gesprächsbedarf".
Innenpolitik

„Ausbildungspflicht“ mit Strafe?

Arbeitsmarkt. Minister Hundstorfer will die Familienbeihilfe streichen, sollten sich Jugendliche den Plänen der Regierung widersetzen.
Schule

Schulverweigerer: Kaum Prävention und keine rechtliche Handhabe

Jährlich fallen rund zehn Prozent der Schüler frühzeitig - oft sogar ohne Hauptschulabschluss - aus dem österreichischen Bildungssystem. Kritik üben Bildungsexperten an den fehlenden präventiven Maßnahmen.
Jobsuche Bildungspflicht fuer alle
Schule

Jobsuche: Ausbildungspflicht für alle Jugendlichen

Nach Schulende plant Sozialminister Hundstorfer eine "Ausbildungspflicht" ab 15. Wer dabei nicht mitmacht, dem drohen Sanktionen bis zur Streichung der Familienbeihilfe. Wirtschaftsminister Mitterlehner begrüßt dies.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.