Mittlere Reife: Polytechnische Schulen skeptisch

Mittlere Reife Polytechnische Schulen
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Die Regierung will Polytechnikum ein "Alleinstellungsmerkmal" geben. Die Mittlere Reife sehen jedoch viele Experten und Akteure skeptisch.

Attraktiver sollen sie werden und eine Aufwertung erfahren, die Polytechnischen Schulen (PTS). So steht es zumindest im Bildungsfahrplan der Koalition, die - wie viele Regierungen vor ihr - das "Poly" reformieren will. Als ersten Ansatz nannten SPÖ und ÖVP die Einführung der verpflichtenden "Mittleren Reife" am Ende der einjährigen Ausbildung. Mit diesem Bildungsziel und "Zertifikat" sollen die Polytechnischen Schulen ein Alleinstellungsmerkmal erhalten. Experten und die betroffenen Akteure sehen das allerdings mit Skepsis.

"Im Zusammenhang mit Polys ist der Ansatz eines Zwischenabschlusses, der für ein bestimmtes Niveau und das Erreichen von Basiskenntnissen in bestimmten Bereichen steht, sehr wichtig", meint der Wirtschaftskammer-Bildungsexperte Michael Landertshammer. "Aber die Mittlere Reife am Ende der Poly ist weder das Gelbe vom Ei noch der Weisheit letzter Schluss." Statt nur am Poly solle sie für alle Schultypen verpflichtend sein. "Wenn ein Gymnasiast nach der neunten Schulstufe die Schule verlässt, hat er absolut nichts." Auch stelle sich die Frage, ob nicht ein Zwischenabschluss am Ende der Sekundarstufe I, also der achten Schulstufe, sinnvoller angesiedelt sei.

Poly auf zwei Jahre verlängern

Die Mittlere Reife nicht früher, sondern später ansetzen würde hingegen Walter Maitz, der in Wien für die Polys zuständige Bezirksschulinspektor und verweist auf Deutschland, wo man nach der zehnten Schulstufe damit abschließt. Er sieht eine Zukunftschance der Poly eher darin, sie auf zwei Jahre zu verlängern, was in Schulversuchen bereits stattgefunden habe. "Das Modell 'Fachmittelschule' liegt bereits seit 1995 in der Schublade, aber der Bund scheut das. Dabei handelt es sich um ein offenes Konzept, das nicht für alle zwingend ist."

Die Verlängerung der Poly von einem auf zwei Jahre würde auch Peter Jäger begrüßen, der zwölf Jahre Direktor an der PTS Tamsweg in Salzburg war und an der bisher letzten PTS-Reform 1997 mitgearbeitet hat. Das würde auch die Ausweitung der derzeit sieben vorgeschriebenen Fachbereiche an den Polys auf den gefragten Bereich Pflege- und Gesundheitsberufe erleichtern. Derzeit würden Schüler an Polys, die diesen Bereich als Berufsorientierung bereits anbieten, "in der Luft" hängen, da die praktische Pflegeausbildung aufgrund gesetzlicher Vorgaben erst im Alter von 17 Jahren begonnen werden kann, so Jäger.

Der Experte verweist auch auf große Unterschiede in der Ausstattung. "Schulerhalter der PTS ist nicht der Bund, sondern die jeweilige Gemeinde. Es gibt tolle Beispiele von Polys in Österreich, wo die für Fachbereiche angemessene Ausstattung vorbildlich umgesetzt ist", meint Jäger. "Dort, wo das nicht der Fall ist, entsteht ein Manko."

Interessen und Talente erarbeiten

In einem scheinen sich die meisten einig: Die PTS müsse sich vorrangig auf ihren Kern spezialisieren und als Orientierungsjahr im Übergang von der Sekundarstufe I zu mittleren und höheren Schulen bzw. Lehre positionieren. "Das muss man aber mit anderen Ansätzen, potenzialorientierter ansehen", so Mario Steiner vom Institut für Höhere Studien (IHS). Berufsorientierung werde meist nur einseitig angesehen, "im Sinne von: Weitergabe von Infos und Möglichkeiten". Stattdessen soll mit den Schülern erarbeitet werden, wo ihre Interessen und Talente liegen. "Dann kann man gezielt Entwicklungspläne entwickeln, idealerweise von Coaches begleitet."

(APA)

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