Heribert Prantl, Chefredakteur und Chefkommentator der „Süddeutschen Zeitung“, formulierte in Wien ein mahnendes, aber durchwegs positives Glaubensbekenntnis an den Journalismus.
Wo liegt die Zukunft des Journalismus? Der Titel der ersten von drei Gastvorlesungen, die Heribert Prantl in Wien hält, gibt eine vage Antwort: „Zwischen Morgen und Grauen?“ Der 57-jährige Jurist und Journalist ist Leiter des Innenpolitikressorts und einer der bekanntesten Kommentatoren der „Süddeutschen Zeitung“, seit Anfang des Jahres ist er auch Mitglied der Chefredaktion. Das Morgengrauen sei die Phase zwischen Nacht und Tag, in einer solchen Übergangsphase befinde sich auch der Journalismus, sagt Prantl – und lässt gar keine Pause zum Nachdenken, sagt lieber sofort, dass die Qualitätsmedien diesen Übergang schaffen werden.
Prantl ist der 13. Vortragende im Rahmen der Theodor-Herzl-Dozentur für Poetik des Journalismus, zu der das Wiener Institut für Publizistik seit 2000 lädt. Doch bevor Prantl mit den Studenten über Undercover-Journalismus, die Gesetzgebung, „die dem Journalismus nicht immer guttut“, und Vorbilder des Berufsstandes, wie Kurt Tucholsky und den deutschen politischen Journalisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789 bis 1845), spricht, spricht er „ein journalistisches Glaubensbekenntnis“, wie er es nennt. Da schimmern seine starken Wurzeln in der katholischen Kirche durch. So hält er am Mittwoch im Hörsaal 33 der Universität Wien eine mahnende Rede, in der er zwar den Untergang der Pressefreiheit kritisiert, aber insgesamt einen hoffnungsvollen Ausblick auf die Zukunft des Journalismus unternimmt. Auch der „Süddeutschen Zeitung“ gehe es „wirtschaftlich wieder besser“. Erkennbar sei das auch daran, dass das Blatt zuletzt fast alle Volontäre anstellen konnte.
Pressefreiheit als „Weihnachtsschmuck“
„Von der Pressefreiheit wird in Deutschland und Österreich viel geredet – aber sie interessiert eigentlich niemanden. Am wenigsten den Gesetzgeber. Der behandelt sie so wie eine durchschnittliche Familie den Weihnachtsschmuck: Sie packt ihn einmal im Jahr aus, sagt Ah und Oh und räumt ihn wieder weg.“ Die Pressefreiheit, die in Ländern wie dem Iran, Irak und China ständig verletzt wird, verkomme in unseren Breiten zum „ausgestopften Tier“, das hie und da abgestaubt wird. „Wir verleihen Medienpreise für ,kritischen Journalismus‘ – dieser Begriff sollte eigentlich eine Tautologie sein.“
Dabei seien es nicht nur der Staat und der Gesetzgeber, die die Pressefreiheit einschränkten, sondern die Journalisten selbst, die aus Bequemlichkeit auf ihr Grundrecht verzichten würden: „Haltung – das Wort ist ein wenig aus der Mode gekommen“, sagt er. Prantl glaubt sogar, die „größte Gefahr für den Journalismus“ gehe von der Presse selbst aus: „Von Journalisten, die es sich angewöhnt haben, sich selbst gering zu schätzen, und von Medienunternehmen, die den Journalismus auf dem Altar des Werbe- und Anzeigenmarktes opfern.“
Prantl verdammt das Gerede über das Zeitungssterben: „Die klassische Angst vor der Bloggerei ist wie eine Seuche. In jedem professionellen Journalisten steckt ein Blogger. Der Blog heißt ,Presse‘ oder ,Standard‘, und dort hat der Journalist seinen Platz. Auch wenn sich der Journalismus „zum Teil vom Papier löst, löst er sich nicht auf. Er ändert nur seinen Aggregatzustand. Vielleicht wird er gasförmig, aber das wäre nicht schlimm, denn Gase erfüllen bekanntlich jeden Raum.“
Im Hinblick auf den Online-Journalismus mahnt Prantl: „Man sollte aufhören, ständig Gegensätze zu konstruieren. Guter Online-Journalismus ist nichts anderes als guter Journalismus.“ Die Tageszeitung müsse sich verändern, bleibe aber immer noch Zeitung. „Wenn Verleger klug sind, machen sie das Internet zum Appetizer der Zeitung.“ Der Online-Journalismus benötige allerdings noch „eine Qualitätsinjektion“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2011)