Integration: Die zweite Generation startet durch

Integration zweite Generation startet
Integration zweite Generation startet(c) EPA (Joel Saget)
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Stiftung "Neuer Wind": Cäcilia, David, Armin und Fatma sind ehrgeizig, erfolgreich und engagiert. Deshalb sollen sie jetzt auch andere Jugendliche mit Migrationshintergrund inspirieren.

Sie wissen nicht ganz genau, wohin mit ihren Händen. Sie wissen auch nicht ganz genau, wohin mit ihrer Freude. Verlegen stehen sie da, hin- und hergerissen zwischen Stolz und Unbehagen. David (17) ist „sehr dankbar“, Armin (18) „einfach sprachlos“, und Cäcilia (17) glaubt, dass sie erst am Abend, wenn sie in ihrem Zimmer liegt, so richtig realisieren wird, „dass ich zu den Gewinnern zähle“.

Gewinner sind sie auf jeden Fall – auch ohne den Preis der Stiftung „Neuer Wind“, die die Spitzenköchin Sohyi Kim ins Leben gerufen hat. Kim, selbst Südkoreanerin, wollte damit zeigen, dass die Mischung „Jugendliche“ und „Migrationshintergrund“ kein Rezept für Desaster sein muss. Dass daraus etwas anderes werden kann als das, was dem Wiener im Straßenbild so oft negativ auffällt: beschäftigungslose junge Menschen mit zu viel Zeit und zu viel Wut. Cäcilia, Fatma, David und Armin sollen beweisen, dass es anders geht. Dafür wurden sie aus zahlreichen Bewerbern ausgewählt und werden von „Neuer Wind“ bei der Aus- und Weiterbildung ihrer Wahl finanziell unterstützt. Als Gegenleistung sollen sie Jugendlichen aus Zuwandererfamilien ein positives Beispiel geben.

Die vier mussten allerdings schon gut sein, ehe sie für wert befunden wurden, in Richtung „noch besser“ gefördert zu werden. Ihre intellektuelle Leistung wurde nach einem strengen asiatisch inspirierten Maßstab gemessen, ihr Engagement für die Gesellschaft an europäisch-karitativen Prinzipien. Dazu kam eine besondere Hürde: Sie mussten Migrantenkinder der zweiten Generation sein, das heißt, dass die Eltern im Ausland geboren wurden.

„Kleiner Piefke mit Schlitzaugen“. Cäcilia vereint diese Ansprüche sozusagen schon in ihrem vollen Namen: Cäcilia Soon Maria Ottenthal. Die Tochter einer Sängerin und Restaurantmanagerin aus Südkorea und eines Tirolers – die Eltern sind mittlerweile getrennt – wuchs in Deutschland auf und übersiedelte mit ihrer Mutter vor acht Jahren nach Österreich. Ihren Migrationshintergrund bekam sie da gleich in doppelter Hinsicht zu spüren. „Am Anfang war ich immer der kleine Piefke“, sagt Cäcilia. „Allerdings manchmal auch der kleine Piefke mit Schlitzaugen.“ Dennoch gibt sie sich große Mühe, die Österreicher als „sehr integrationsfreundlich“ zu empfinden. Gleichzeitig erkennt sie aber an, dass Menschen, die sichtbar einem anderen Kulturkreis angehören (zum Beispiel durch das Kopftuch), es nicht sehr leicht haben.

Probleme mit ihrem Migrationshintergrund geben auch David Pinchasov (17) und Armin Etemadi (18) nicht gern zu. Doch genauso wie Cäcilia strahlen auch sie aus, dass sie, im Gegensatz zu vielen in Österreich geborenen Jugendlichen, laufen müssen, wenn andere es gemütlicher angehen können. Immer das kleine bisschen mehr leisten, immer besser sein als die anderen, um sich gleichwertig zu fühlen. Gleichzeitig aber immer hübsch bescheiden bleiben, um nicht als überheblich abgestempelt zu werden.

Davids Eltern kamen über die USA aus Russland nach Österreich, Vater und Mutter haben hier einen Handelsbetrieb aufgebaut. David hat einen Notendurchschnitt von 1,33, spricht Deutsch, Russisch, Englisch, Spanisch und Hebräisch, spielt seit neun Jahren Saxofon, gibt nebenbei (wann nebenbei eigentlich?) jüngeren Schülern Nachhilfe. Wird David von seinen Eltern angetrieben, besser als der Rest zu sein? „Nein“, sagt er. „Meine Eltern unterstützen mich. Der Einsatz kommt von mir.“ Wie schafft er das alles? „Ich bin eben gut organisiert.“

Das gilt auch für Armin Etemadi (18). Seine Familie stammt aus dem Iran, die Mutter studiert nebenbei Zahnmedizin, der Vater arbeitet. Armin hat bereits jetzt ein glasklares Bild von seiner Zukunft. Er will Medizin studieren, daneben noch ein zweites Fach – Mathematik, Informatik oder Chemie. Dafür übt er schon jetzt. Seine Freizeit nützt er für Fortbildung, vor allem auf naturwissenschaftlichem Gebiet.

Für den Burschen, der gern Fußball spielt und Taekwondo betreibt, hängt der Erfolg von Migrantenkindern „vor allem davon ab, wie weit sie bereit sind, sich zu integrieren“: „Wenn sie das nicht tun, haben sie es sehr schwer.“ Seine Freunde, sagt er, seien hauptsächlich Österreicher.

„Komplett meine Heimat“. Auffällig ist, dass die drei jungen Leute überhaupt nicht daran denken, Österreich zu verlassen. Während es österreichische Schüler und Studenten häufig ins Ausland zieht, steht für David, Armin und Cäcilia fest, dass sie hier bleiben wollen. „Österreich ist komplett meine Heimat“, sagt Armin. Einzig Cäcilia kann sich vorstellen, während des Studiums ein Auslandsjahr – „oder vielleicht doch nur ein Semester“ – zu absolvieren.

Sie will „etwas von dem zurückgeben, was ich bekommen habe“. Ein Satz, der offenbar nicht nur im Überschwang der Preisverleihung gesagt wurde. Schon jetzt engagiert sich Cäcilia in dem Projekt „Soco4you“, in dem es um Behinderung, Alter und Krankheit geht. Und sie betreut eine Kindergruppe in der Koreanisch-Presbyterianischen Kirche, in der ihre Mutter aktiv ist. Beruflich will sie einmal „ungefähr das machen, was Sie gerade tun“. Was? Hektisch seitenweise Papier vollschreiben und hoffen, dass man es später noch lesen kann? „Genau“, grinst Cäcilia. Und beweist, dass die erfolgreichen Kandidaten bei ihrer Eigenbewertung offenbar nicht geschummelt haben. Humor ist nicht nur auf dem Papier eine von Cäcilias Stärken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.04.2011)


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