Fall Martin: "Verbleib von Millionen unklar"

Vorwurf Martin Verbleib Millionen
Vorwurf Martin Verbleib MillionenEPA
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Nach Martin Ehrenhauser belastet ein zweites Ex-Parteimitglied den EU-Mandatar schwer. Es geht um die Wahlkampfkosten-Abrechnung. VP-Delegationschef Karas fordert volle Aufklärung.

Hans-Peter Martin wird von seinen früheren Mitstreitern schwer belastet: Der EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser wirft dem Vorarlberger vor, private Ausgaben als Wahlkampfkosten abgerechnet zu haben. Ehrenhauser erstattete deshalb Anzeige. Am Montag legte mit Angelika Werthmann ein zweites Ex-Parteimitglied der "Liste Martin" nach: "Die Wahlkampfkostenabrechnung war nie nachvollziehbar, zu meinem Austritt im Juli 2010 war der Verbleib von immerhin rund 3,3 Millionen Euro ungeklärt", erklärte Werthmann.

Dass "mit diesen Geldern private Zahlungen getätigt worden sein sollen, ist nochmals eine andere Liga", so Werthmann über die von Ehrenhauser erhobenen Vorwürfe. Immerhin habe ihr Hans-Peter Martin öfters bescheinigt, "dass der Wahlkampf 2009 'bescheidene' 500.000 Euro ausmache", erklärte die Abgeordnete.

Hans-Peter Martin hat die Betrugsvorwürfe gegen ihn als "haltlos und rufschädigend" zurückgewiesen, eine Finanzprüfung beantragt und Ehrenhauser zuletzt mit rechtlichen Schritten gedroht.

"Wählertäuschung erwiesen"

Doch Martins ehemaliger Büroleiter zeigte sich unbeeindruckt und bekräftigte am Montag noch einmal die Vorwürfe: Ihm seien Dokumente zugespielt worden, die ihn zu dem dringenden Verdacht gebracht hätten, dass Martin "mindestens eine Million Euro Steuergelder abgezweigt" habe, so Ehrenhauser.

Er sehe es als erwiesen an, dass es zu einer Wählertäuschung kam. Der Vorfall zeige eine "Metamorphose des Hans-Peter Martin", der nun "seine weiße Weste abgelegt" und sie "in den Dreck geworfen hat", sagte der EU-Abgeordnete in Anspielung auf die früheren Aussagen Martins, der sich selbst oft als Aufdecker von Missständen im EU-Parlament bezeichnete.

"Betriebswirtschaftliche Meisterleistung"

Nach Angaben von Ehrenhauser ist derzeit der Verbleib von insgesamt 2,3 Millionen Euro ungeklärt. Am 29. September 2010 habe Martin den Rechenschaftsbericht veröffentlicht, die Ausgaben waren für Ehrenhauser jedoch in "keiner Weise" nachvollziehbar, erklärte er am Montag. Er sei schockiert gewesen über "diese dreiste betriebswirtschaftliche 'Meisterleistung'", so Ehrenhauser, der vermutet, dass Martin das Geld für private Zwecke verwendete

Er habe sich bei Martin seit September 2010 vergeblich für die Aufklärung der Finanzen eingesetzt, versicherte er. Gefragt, warum er erst jetzt - mehr als ein halbes Jahr nach Veröffentlichung des Rechenschaftsberichtes - aus der "Liste Martin" ausgetreten ist, antwortete der EU-Parlamentarier, dass es sich um eine "sehr persönliche Angelegenheit" gehandelt habe. Er wollte Martin Zeit geben, "die Dinge auf den Tisch legen zu können

Karas fordert "lückenlose Aufklärung"

Auch der ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas forderte am Montag eine lückenlose Aufklärung der durch Martins Ex-Mitarbeiter Martin Ehrenhauser aufgebrachten Vorwürfe. Martin müsse alle drei Wahlkampfkosten-Rückerstattungen offenlegen, sagte Karas. Da es sich bei den Wahlkampfkosten nicht um eine Frage des Missbrauchs von EU-Geldern handle, liege die Verantwortung für die Kontrolle ausschließlich beim Bundeskanzleramt und beim Finanzministerium, die für eine ordnungsgemäße Abrechnung zuständig seien. Beide Stellen müssten umgehend Stellung nehmen und eine Überprüfung von Martins Abrechnungen vornehmen.

Der Fall Martin

Gegen Hans-Peter Martin waren am Wochenende wieder schwere Vorwürfe laut geworden. Wie das Nachrichtenmagazin "profil" in seiner Montag erschienenen Ausgabe und die "Salzburger Nachrichten" berichteten, erstattete Ehrenhauser Anzeige bei der Wiener Staatsanwaltschaft gegen seinen ehemaligen Delegationsleiter und Chef der "Liste Martin". In Summe geht es laut "profil" um eine Million Euro Steuergeld. Die "Presse" hatte zuvor über Ehrenhausers Austritt aus der Partei berichtet, weil dieser Martin nicht länger decken wolle.

Martin soll private Ausgaben als Parteiaufwendungen verbucht, unerklärlich hohe Honorare an befreundete Unternehmer gezahlt und die Wirtschaftsprüfer möglicherweise mit mehrdeutigen Belegen getäuscht haben. Martin nannte die Vorwürfe "haltlos und rufschädigend", beantragte eine Finanzprüfung und kündiget rechtliche Schritte an. Konkret geht es um Umbauarbeiten an seinem Wohnhaus in Tübingen. "Wie vom Architekten N. bestätigt wird, gab es nur eine Architektenleistung, welche von mir aus Privatmitteln bezahlt wurde", stellte Martin in einer Aussendung fest.

(Ag.)

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