Ehrenhauser: "Martin warf weiße Weste in den Dreck"

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Sein ehemaliger Mitstreiter im EU-Parlament Ehrenhauser wirft Hans-Peter Martin dreiste Wählertäuschung vor. Seine Partei sei bewusst als One-Man-Show konzipiert. Martin spricht von haltloser Rufschädigung.

Wien. Es ist nicht das erste Mal, dass Hans-Peter Martin ein Mitstreiter abhanden kommt. Es ist auch nicht das erste Mal, dass ihm ein Abtrünniger einen gelinde gesagt saloppen Umgang mit öffentlichen Mitteln vorwirft. Die Dimension ist dieses Mal dennoch eine andere. Martin Ehrenhauser, der vergangene Woche aus Martins Delegation im EU-Parlament ausgetreten ist, wirft seinem ehemals großen Vorbild immerhin vor, eine Million Euro aus der Wahlkampfkostenrückerstattung für private Zwecke verwendet zu haben. Ehrenhauser erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien. Martin spricht von haltloser Rufschädigung und kündigt rechtliche Schritte an.

Was Ehrenhauser nicht davon abhält, seine schon in der Samstag-„Presse“ erhobenen Vorwürfe am Montag bei einer Pressekonferenz zu wiederholen und zu präzisieren. Martin habe ihm Ende September einen Rechenschaftsbericht über die Parteifinanzen vorgelegt, der „in keiner Weise“ nachvollziehbar gewesen sei. Er sei schockiert gewesen „über die Metamorphose Martins“ und „über diese dreiste betriebswirtschaftliche Meisterleistung“, so Ehrenhauser. Martin habe „seine weiße Weste abgelegt und in den Dreck geworfen“.

Warum aber ist Ehrenhauser nicht gleich aktiv geworden und hat erst mehr als ein halbes Jahr später Anzeige erstattet? Er wollte Martin Zeit geben, sich zu rechtfertigen. Und es seien ihm erst später Unterlagen zugespielt worden, die die missbräuchliche Verwendung der Wahlkampfkostenrückerstattung aufzeigen. Gemeint ist damit zum Beispiel ein Architektenhonorar für den Umbau eines Privathauses von Martin.

Martin habe Ehrenhauser, so sagt er, jedenfalls immer wieder vertröstet. Unter anderem mit dem Argument, dass Ehrenhauser ja auch nicht Mitglied bei Martins Partei ist. Wie das? Ehrenhauser war doch jahrelang Büroleiter Martins und im Wahlkampf sogar für die operative Abwicklung zuständig. „Ich wollte nie Mitglied sein und wurde auch nie gefragt, ob ich der Partei beitreten will“, so Ehrenhauser zur „Presse“. Er kenne auch nur ein Mitglied der Martin-Partei, nämlich Martin selbst. Auch Angelika Werthmann, die Martins Delegation im EU-Parlament schon im vergangenen Jahr verlassen hat, erzählt, dass sie nie Kenntnis über Struktur und Mitglieder der „Liste Martin“ erhalten habe – trotz mehrfachen Nachfragens. Werthmann sieht zudem die Verwendung weit größerer Summen – nämlich 2,3 Millionen Euro – für ungeklärt an.

Parteigründung mit Leichtigkeit

Dass die Verschleierung von Parteistrukturen überhaupt möglich ist, hat zum Gutteil mit dem österreichischen Parteiengesetz zu tun. Das ermöglicht so gut wie jedem, eine Partei zu gründen und zwar formloser und auflagenfreier als dies etwa bei der Gründung eines Vereins der Fall ist. In Paragraf 1, Absatz 4 des Parteiengesetzes ist bloß festgeschrieben, dass die Satzungen einer Partei einmal in einem periodischen Druckwerk zu veröffentlichen und im Innenministerium zu hinterlegen sind. In den Satzungen sind die Organe, die Vertretung nach außen und die Rechte und Pflichten der Mitglieder aufzulisten. Details sind weder gefordert, noch werden sie kontrolliert. Das Innenministerium agiert (im Gegensatz zur Kontrolle bei Vereinen) nur als Hinterlegungsstelle, nicht als Prüforgan.

Um bei einer Wahl anzutreten, muss man keine Partei gründen. Es reicht die Anerkennung als „wahlwerbende Gruppe“. Nur wer eine Wahlkampfkostenrückerstattung will, muss als Partei auftreten. Das Geld bekommt man übers Bundeskanzleramt ausbezahlt, das aus einem Fünfervorschlag zwei Wirtschaftsprüfer auswählt, die über die rechtmäßige Verwendung der Mittel urteilen müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19. April 2011)

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