Neonazi-Causa: Küssels Computerhirn in U-Haft

(c) Fabry Clemens
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Mit Küssel wurde ein geheimnisvoller zweiter Mann verhaftet. Dessen Identität wurde bisher geheim gehalten. Es handelt sich dabei um A., einen - schon verurteilten - international vernetzten Computerexperten.

Wien. Für die Staatsanwaltschaft Wien ist der seit voriger Woche in U-Haft sitzende Gottfried Küssel (52) der ideologische Mastermind hinter der inzwischen vom Netz genommenen Neonazi-Website „alpen-donau.info“. Gemeinsam mit Küssel wurde im Rahmen einer Großrazzia ein zweiter Mann verhaftet. Dessen Identität wurde bisher geheim gehalten. Laut „Presse“-Recherchen handelt es sich um einen gewissen A. (vollständiger Name der Redaktion bekannt). Dieser dürfte gleichsam als Webmaster für das Neonazi-Netzwerk tätig gewesen sein.

A. sorgte schon einmal österreichweit für Empörung. Er war wegen der Schändung des jüdischen Friedhofes in Eisenstadt, bei der zu Allerheiligen 1992 exakt 88Gräber mit Naziparolen beschmiert worden waren, erstinstanzlich zu vier, in letzter Instanz zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Nun droht dem mittlerweile 39-Jährigen – dessen Verhaftung wurde von der Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Michaela Schnell, bestätigt – eine neuerliche Verhandlung wegen Verstößen gegen das Verbotsgesetz.

Der 1971 als Sohn eines Hoteliers und VP-Funktionärs geborene Mann hatte seine EDV-Fähigkeiten in der Vergangenheit schon mehrfach für rechtsextreme Zwecke eingesetzt. Anfang der 1990er Jahre betrieb er den einzigen Österreich-Knoten des legendären Thule-Netzwerks, in dem sich die neonazistische Elite Europas konspirativ organisierte. Ebendort verschickte er unter dem Pseudonym „Arisk“ Anleitungen zum Bau von Bomben. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich jedoch schon der deutsche und der österreichische Verfassungsschutz in das Netz eingeklinkt.

Deshalb (und aus anderen Gründen) geriet A. in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre bei den Ermittlungen um die Schändung des jüdischen Friedhofes in Eisenstadt unter Verdacht. Selbst bei der fünften Briefbombenserie dachten Fahnder an A. – ein Verdacht, der sich aber in Luft auflöste.

Haftstrafe wegen Grabschändung

Erst 2004 stand A. wegen der Friedhofsschändung vor Gericht. Davor hatte er sich nach Südafrika abgesetzt, wo er sieben Jahre verbrachte. Und eine neonazistische Webseite betrieb. In dieser Zeit war ein zweiter Friedhofstäter längst verurteilt worden. A. kehrte erst 2003 gegen eine – denkbar geringe – Kaution von 2500 Euro und unter der Bedingung, freies Geleit zu erhalten, zurück. Eben um sich der Verhandlung zu stellen.

Der „Presse“ liegen Unterlagen des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sowie dessen Vorgängerbehörde, der Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus (EBT), vor, wonach A. in der internationalen Neonazi-Szene sehr gut vernetzt ist. Seine Kontaktleute sollen unter anderem in Deutschland, Dänemark, Ungarn und Südafrika sitzen.

Nach dem Verbüßen seiner Strafe wurde es öffentlich still um A. „Ein Zeichen dafür, dass er sich im Gegensatz zu vielen anderen Szenegrößen hochgradig konspirativ verhält“, sagt der oberösterreichische Kriminalbeamte, Datenforensiker und Computerspezialist Uwe Sailer. Er recherchiert im Internet seit 2009 im Umfeld der stillgelegten „alpen-donau.info“-Seite. Freilich gilt für A. – sowie auch für Küssel – die Unschuldsvermutung.

A., der Küssel noch aus Zeiten der Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition (Vapo) kennt, soll sich zuletzt mit ungarischen Rechtsextremen zusammengetan haben. Es gibt Hinweise, dass es in diesem Zusammenhang in jüngster Vergangenheit auch zu Wehrsportübungen im ungarisch-ukrainischen Grenzgebiet gekommen sein soll. Detaillierte „Feldberichte“ wurden regelmäßig auf „alpen-donau.info“ veröffentlicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.04.2011)

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