Immobilienmarktentwicklung: Das Ende von CEE

AP
  • Drucken

Gastkommentar: Thomas Beyerle, Leiter des Bereichs „Corporate Social Responsibility & Research" bei IVG Immobilien in Bonn, kommentiert die Mängel der zentraleuropäischen Sichtweise der vergangenen 20 Jahre und wie sich Polen von den anderen osteuropäischen Ländern unterscheidet.

Der Titel dieses Gastkommentars ist bewusst reißerisch gewählt, ist er doch nahe an der Realität: Angenommen chinesische Investoren kommen nach Europa und gruppieren Frankreich, Deutschland, Niederlande und Belgien als ein Marktgebiet, das sie „Mitteleuropa“ nennen. Zusätzlich bezeichnen sie Österreich, die Schweiz und Italien als „Südeuropa“. Der Aufschrei wäre groß und die Betroffenen würden auf ihre lange Immobilientradition als eigenständige Märkte pochen und dabei mit Marktzahlen und Standorten nur so um sich schlagen. Jedoch wurde es vor 20 Jahren nicht auch mit der Strapazierung der Begriffe „CEE“ und später „SEE“ auch so gemacht und ein Marktbild zementiert, das eher der zentraleuropäischen Sicht entsprungen ist als den individuellen Landesprofilen Rechnung schenkte? - An dieser Stelle kann die Diskussion als Haarspalterei abgetan und auf die damalige intransparente Situation verwiesen werden. Doch nach 20 Jahren Immobilienmarktentwicklung in Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn sollte die Geographie und die Marktstruktur einer genaueren Betrachtung unterzogen werden.

Investitionskanal CEE

Allen gemeinsam ist der Zeitpunkt der Genese: mit dem Fall des kommunistischen Machtblocks und der daraufhin einsetzenden Investitionstätigkeit der Projektentwickler standen bildlich gesprochen alle drei Länder gemeinsam an der Startlinie und entwickelten sich in parallel in den boomenden Märkten. Wer erinnert sich nicht an die „first mover“ Bewegung gerade österreichischer Investoren und Banken, die diesen Investitionskanal CEE „öffneten“?

Ende der 90er Jahre kam die erste Überbauungskrise und die Erkenntnis, dass Märkte sich auch nach unten entwickeln können. Dass sich nach Krisen Unternehmen und Ökonomien unterschiedlich entwickeln, ist schon lange Schumpeter'sches Gesetz. Mit dem Blick auf die Finanzmarktkrise hat sich das Triumvirat der Länder nunmehr gänzlich neu positioniert und der Sieger ist Polen. Der aktuelle Liebling vieler Investoren hatte gar keine Rezession und wird in nahezu jeder Marktpräsentation an erster Stelle angeführt. - Das ist auch richtig so, stellt jedoch eine eher taktische Begründung bzw. Momentaufnahme dar.

Standortanalyse

Strategisch wichtiger ist auch der Hinweis auf die entwickelten Regional-Standorte, die sich  im Vergleich mit den Nachbarländern durch eine hohe Bevölkerungszahl und größere Immobilienprojekte auszeichnen. Hier kommt vor allem eine andere Standorthierarchie bzw. -struktur zum Ausdruck als in der Tschechischen Republik. Wie sehr also das ökonomische Sentiment neben dem aktuellen polnischen Superstar meinungsbildend ist, erfährt geradezu schmerzlich Ungarn. In der öffentlichen Wahrnehmung wird der ungarische Investitionsstandort aktuell mehr durch die Forintkrise, das Pressegesetz etc. gebeutelt. Die Analyse der ungarischen Immobilienmärkte zeigt indes eine geradezu gesunde Struktur bei gleichwohl noch schockgefrosteter Investmentaktivität. Allerdings ist die Standortstruktur in Budapest sehr stark ausgeprägt und dazwischen gesellt sich die Tschechische Republik vor allem mit Prag.

Das Ende der alten CEE-Abgrenzung ist nichts anderes als die Herausbildung einer eigenständigen Standortstruktur, vor allem in den Augen und Investitionsstrategien „ausländischer Investoren“. Polen ist mittlerweile ein Core Markt mit einer hohen Transparenz. In dieser neuen Hierarchie kommt nichts anderes zum Ausdruck als die zukünftige Wettbewerbsposition der Immobilienstandorte. Das hilft letztlich allen, kann sich aber im Zeitverlauf durchaus wieder ändern.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolfoto
Home

Standort Wien: Eine Sacher-Torte reicht nicht aus

Internationale Konzerne entscheiden sich sehr pragmatisch für oder eben gegen eine Stadt. Ewald Stückler, Geschäftsführer von Tecno Office Consult, fehlt für Wien ein klares Profil und sieht in der höheren Lebensqualität alleine keinen Grund für eine Ansiedelung.
Home

Starke Immobilien – schwache Immobilienaktien?

Krisenwährung Immobilie – viele Anleger suchen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten nach stabilen, wertbeständigen Anlagen. Ausdruck dafür sind die kontinuierlich steigenden Wohnimmobilienpreise in Wien. Doch Immobilienaktien „ticken“ anders, wie die Kursentwicklung seit Jahresbeginn zeigt. Die Erste-Group-Analystin, Martina Valenta, kommentiert die Situation.
Immobilienportfoliobewertung Wert
Immobilien

Immobilienportfoliobewertung – Der Weg zum Wert

Mit zunehmender Kapitalmarktorientierung und Internationalisierung der Immobilienmärkte haben Immobilienportfolios und somit auch deren Bewertung deutlich an Bedeutung gewonnen. Ein Gastkommentar von Sandra Hochleitner, Real Estate Managerin
bei KPMG Advisory GmbH.
Architektur Haeuser Spiegelbilder
Kreativ

Architektur: Die Häuser als Spiegelbilder

Im Interview erzählen BEHF Architekten, worin sie die moderne Rolle und die Verantwortung der Architekten sehen. Und wo die Stadt Wien ihrer Meinung nach am hässlichsten ist.
Kommentare

Kaputtes Haus der Hasenfüße

Dauerangst vor vermeintlich Unpopulärem: Die Bruchbude Parlament ist Symbol dafür.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.