Burgtheater: Birgit Minichmayr lässt "Lulu" platzen

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Die Aufführung in der Regie von Jan Bosse wird abgesagt. Aufgeschoben, betont Burgtheaterdirektor Hartmann. "Minichmayr war wunderbar, grandios, aber sie hat sich nicht beschützt gefühlt", meinen Kollegen.

Dienstagvormittag im Burgtheater. Das Ensemble steht vor der Kantine. Betroffene Gesichter. Gerade haben die Schauspieler erfahren, dass Birgit Minichmayr nicht ab 14.Mai in der Regie von Jan Bosse Frank Wedekinds „Lulu“ spielen wird. „Es war ein Kampf seit 14 Tagen“, sagt ein Kollege, der nicht genannt werden möchte: „Sie war grandios, wunderbar. Sie war weiter als wir alle. Aber sie hat sich nicht beschützt gefühlt und ist ausgestiegen.“ Mittwochnachmittag war die Produktion bereits aus dem Spielplan entfernt.

„Regisseur und Hauptdarstellerin sind zur Überzeugung gekommen, dass ihre künstlerische Auffassung von Stück und Rolle und ihre Arbeitsweise divergieren. Sie haben beschlossen, die Arbeit miteinander auszusetzen“, heißt es in einer vom Burgtheater veröffentlichten Erklärung und weiter: „Birgit Minichmayr hat dem Burgtheater ihr Wort gegeben, dass sie innerhalb der nächsten beiden Spielzeiten die Lulu am Burgtheater erarbeiten will. Ob das Burgtheater diese Option einlösen will, kann erst zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden.“

„Theater-Krieg“ am Boulevard

Die Lage ist heikel. „Burgtheater-Krieg! Stars gegen Direktor“ titelte Mittwoch die Gratiszeitung „Heute“. Hartmann gehe rüde mit den Schauspielern um: „Wer aufmuckt, wird mit Nichtbesetzung zur Räson gebracht.“ Jüngst hat der Regisseur Martin Kušej, der das Münchner Residenztheater übernimmt, der Burg mit dem Abwerben vieler Stars gedroht, darunter auch Publikumslieblinge wie Minichmayr, Nicholas Ofczarek oder Martin Schwab. Die Burg erklärte, dass ihr keine Vertragsauflösungen bekannt seien. Minichmayr und Ofczarek, in Salzburg als Buhlschaft und Jedermann zu sehen, spielen auch in der erfolgreichen Kušej-Inszenierung von Schönherrs „Weibsteufel“, die 2008 im Akademietheater Premiere hatte.

Keine neuen Rollen an der Burg

Kušej war als Burgchef im Gespräch, der damalige Kunststaatssekretär Morak (V) zog Hartmann vor. Das Klima zwischen den beiden Künstlern ist nicht das beste. Was sagt Hartmann zur Minichmayr-Absage? Ist es richtig, dass sie sich für ein Jahr karenzieren ließ und ans Residenztheater geht?

Hartmann zur „Presse“: „Birgit Minichmayr bleibt bei uns im Vertrag und spielt in der nächsten Saison ihre Rollen am Burgtheater weiter. Sie wird – mit Ausnahme der weiteren Überlegungen zu Lulu– keine neuen Rollen einstudieren in der nächsten Spielzeit. Am Residenztheater spielt sie ,Weibsteufel‘, das ist eine Produktion des Burgtheaters. Sie kann in München spielen, ich lege nie Schauspielern Hindernisse in den Weg.“

Was sagt der Burgchef zu den „Heute“-Schlagzeilen, die an die Turbulenzen der Peymann-Ära erinnern? Hartmann: „Als ich nach Zürich kam, wurde das Theater in den ersten Wochen durch einen Streik lahmgelegt. Das war so ungerecht, dass das ganze Ensemble sich auf meine Seite gestellt hat und trotzdem gespielt hat.“

Ist es wahr, dass er Schauspieler und Schauspielerinnen ignoriert, abkanzelt? Hartmann: „Wenn Schauspieler mich nachts aus der Kantine auf meinem Handy anrufen, kann ich schon einmal barsch reagieren. Ich bin sonst ein eher freundlicher Mensch.“ Kušej hat in München das Stamm-Ensemble des Residenztheaters gekündigt. Wird er es langfristig mit bekannten Burg-Mimen auffüllen? Hartmann: „Das kann ich nicht sagen. Ich jedenfalls habe, als ich nach Wien kam, nicht alle Schauspieler hinausgeworfen, sondern fast alle behalten. Dass sich manche etwas erträumt haben oder gehofft haben, in der ersten Reihe zu stehen– was nicht der Fall ist –, das war am Burgtheater immer so.“

Seltsame Männerfantasie „Lulu“

Wedekinds „Lulu“: Kaum ein namhafter Regisseur lässt sich dieses Ur-Weib, Projektionsfläche der Männer, entgehen. Hartmann hat in Hannover „Lulu“ inszeniert mit der am Burgtheater bestens etablierten Maria Happel, die ihrerseits „Lulu“ bei den Festspielen in Reichenau herausgebracht hat.

Andreas Kriegenburg inszenierte das Werk unter Bachler an der Burg (mit Natali Seelig). Die extremste Version war Peter Zadeks „Lulu“ mit Susanne Lothar, bei den Festwochen zu Gast. Vielleicht war die „Lulu“-Absage für Minichmayr schlicht eine Befreiung. Nun kann sie, die auch im Film (Silberner Bär) und mit Musik („Struwwelpeter“) erfolgreich ist, weniger von (erotischer) Erwartungshaltung geprägte Wege beschreiten.

Zur Person

Birgit Minichmayr (34) zählt zu den profiliertesten Schauspielerinnen im deutschen Sprachraum. Am Burgtheater spielte sie u.a. Nestroy, den Narren im „Lear“ und Medea. 2004–2007 war sie an Frank Castorfs Berliner Volksbühne. 2009 erhielt sie den Silbernen Bären als Beste Darstellerin („Alle anderen“). In der Burg ist Minichmayr am 23.4 und 8.5 als schöne Helena zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2011)

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