Handgemacht: Innere Werte

M&G Interiors
M&G InteriorsHeidrun Henke
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Eigens geplante Möbel, handgefertigtes Tafelsilber, Stoffe von den Medici: Erst die Details machen Wohnungen zu etwas Besonderem. Welche Menschen schaffen diese Dinge? Drei "Internisten des Wohnens" im Porträt.

Bauen ist ein Teambewerb, bei dem zum Schluss ein zufriedener Kunde dasteht“, erzählt Heinz Glatzl, während er ein paar Pläne hervorholt und im Schauraum ausbreitet. „Diese Tische haben wir für das ,Motto am Fluss‘ gebaut“, so Glatzl, der sich um Design und Konzepte kümmert. Die Pläne zeichnet er von Hand, mit wenigen Strichen entsteht ein dreidimensionales Bild – sei es eine winzige Garderobe oder die gesamte Einrichtung. „Als Tischler habe ich mein ganzes Leben damit verbracht, für Kunden Pläne zu zeichnen, die nie bezahlt wurden. Es war für uns am Anfang sehr emotionell zu sagen, dass das eine Dienstleistung ist, die Geld kostet. Nach rund zehn Jahren ist es ein selbstverständlicher Anspruch, den wir auch so gut erfüllen, dass er nicht mehr infrage gestellt wird“, schildert Joachim Mayr. Schon sein Vater war Tischler. In der Werkstatt in Lunz am See arbeiten mittlerweile nicht mehr wie damals sieben, sondern zwanzig Leute an der Umsetzung dessen, was Glatzl zeichnet. „Wir versuchen gemeinsam technisch und formal die beste Umsetzung zu erreichen“, so Mayr.

Die beiden ordnen sich immer dort ein, wo sie vom Bauherren und dessen Architekten gesehen werden. Die Häuser, deren Innenleben sie planen, kosten insgesamt selten unter 700.000 Euro. Gearbeitet wird an mehreren Projekten gleichzeitig. Um das Pensum bewältigen zu können, hat sich das Zweiergespann um drei Mitarbeiterinnen erweitert. Allesamt besuchten sie die HTL für Möbel und Innenausbau, zuletzt machten sie eine Zertifizierung zum Technischen Büro. „Unsere Stärke in Zusammenarbeit mit Architekten ist unser Wissen um die Funktion des Wohnens“, so Mayr. Bei vielen Projekten werden sie tätig, bevor der erste Bagger auftaucht. „Wenn man später dazukommt, muss man viel gesundbeten. Es geht stark in die puristische Richtung. Aber wenn man bewusst reduzieren will, muss man früh daran denken“, mahnt Glatzl. Viele Kunden hätten Schwierigkeiten, ein Haus, dessen Grundmauer noch nicht steht, von innen zu planen. Doch dies sei wichtig, da es sonst an elementaren Dingen wie zum Beispiel Staurum mangelt. Schließlich lebe man innen und nicht an der Fassade. Dinge, die nur schön sind und in der Praxis nicht funktionieren, sind beiden ein Gräuel. Mit Zeit gehen sie sparsam um – geplant wird an Ort und Stelle. „Das schafft Dynamik, der Kunde sieht sofort das Ergebnis und kann mitentwickeln“, so Glatzl, der keiner sein will, der ins stille Kammerl denken geht. Denn dort werde oft an den Wünschen der Kunden vorbeigeplant. Auftraggeber kaufen die beiden im Package mit. Deshalb legt das Duo großen Wert auf die menschliche Komponente: „Wir sind Teil des Ganzen. Wenn die Basis nicht stimmt, zieht das die Kreativität mit runter.“ Ihre Arbeit betrachten sie als riesengroßes Kommunikationsspiel: „Je eindeutiger und direkter das passiert, desto besser ist es.“

Edles für die Tafel.

Wenn man vor 200 Besteckmustern steht, wird einem die Dimension des Sprichworts „Wer die Wahl hat, hat die Qual“ schlagartig bewusst. Soll es ein stark verziertes Besteck sein oder eher ein schlichtes wie zum Beispiel der Eselsrücken, der Geigenkasten oder der Rundfaden? Oder doch lieber die Nummer 15, mit der im Jahr 1955 sämtliche österreichische Auslandsbotschaften ausgestattet wurden? Je jünger der „Gequälte“ ist, desto eher greift er nach Jean Paul Vaugoins Erfahrung zu verzierten Bestecken. Die meisten wählen jedoch ein glattes Muster – daran sieht man sich nicht satt. Vorausgesetzt natürlich, es besteht die Bereitschaft, mindestens 9000 Euro für eine Basisausstattung (ausreichend für sechs Personen) auszugeben. „Es gibt genug Leute, die sich ein Silberbesteck leisten könnten, aber nicht wollen“, erzählt Vaugoin, der das Unternehmen neben einem Wirtschaftsstudium in der fünften Generation führt. „Das hat mit Stil und Wertbewusstsein zu tun und sagt viel über einen Menschen aus. Wir sehen, dass die Leute heute ein anderes Bewusstsein als zum Beispiel in den 90er-Jahren haben. Bedingt durch die Krise lebt man mehr nach innen. Statt des vierten Autos gibt es andere Prioritäten.“ Wer also den Wert von Handarbeit schätzt, ist bereit, für ein handgefertigtes Silbertablett 400 Euro auszugeben – und fördert damit ein selten gewordenes Handwerk. Die Silberschmiede im siebenten Wiener Bezirk ist die einzige dieser Art – österreichweit. Aber auch im europäischen Raum sucht man lange: In Frankreich existieren laut Vaugoin noch zwei Produzenten, die in dieselbe Qualitätsschiene einzureihen wären, in England und Italien gäbe es mehrere Betriebe, aber keiner macht Bestecke. In Deutschland findet sich eine Firma, die jedoch auch maschinell produziert und Versilbertes anbietet. „Unsere Bestecke haben einen anderen Schwung, eine andere Biegung als maschinell gefertigte.“ Der Bug des Bestecks wird mit einem Holzhammer über Bleiunterlagen erreicht.

Die Werkstatt ist ein Kontrastprogramm
zu den glänzenden Vitrinen des Verkaufsraums: Die Werktische sind aus altem Birnenholz, man sieht ihnen die vielen daran verbrachten Stunden an. Sieben Männer, darunter zwei Lehrlinge, arbeiten für Vaugoin. Der Dienstälteste ist seit 22 Jahren dabei, der Dienstjüngste macht gerade einen Schnuppertag. Vor hundert Jahren waren es noch 180 Leute: „Damals gab es mehrere Meister: einen nur für Bestecke, einen nur für Tabletts. Jeder hatte Gesellen und die wiederum ihre Lehrbuben“, schildert Vaugoin. Heute testen sich die Handwerker immer wieder selbst, ob sie hoch komplizierte Stücke wie zum Beispiel eine neun Kilo schwere Replik des Wiener Donnerbrunnens noch anfertigen können. Wenn drei Stunden an den Zacken einer Gabel gefeilt wurde, ist es Zeit für Abwechslung. Da kommen Bestellungen wie ein sechs Kilo schwerer Sektkühler gerade recht. Auch Reparaturen nehmen viel Platz im Auftragsbuch ein, denn im Unterschied zu heute ist altes Silberbesteck, bei dem noch Baumharz statt Lötzinn verwendet wurde, nicht spülmaschinenfest. Im Moment wird an einem großen Auftrag für ein arabisches Herrscherhaus gearbeitet. Welche Kunden gibt es noch? „Im Dezember war die Königin von Katar bei uns.“ Doch nicht immer sind es Adelige: „Vielen unserer Kunden würden Sie es nicht ansehen, dass sie einen Suppenschöpfer um 900 Euro zu Hause haben.“ Vaugoin selbst hat das Handwerk nicht erlernt. Wenn er zur Feile greift, meint sein Meister: „Günstiger wäre es, wenn du nicht mithilfst.“ Da ihm am Fortbestand des Traditionsunternehmens etwas liegt, konzentriert er sich auf seine Aufgaben.

Edles Geschmeide.

Als die junge Elisabeth Reger noch Druckerei, Strickerei und Mode an der Modeschule im Schloss Hetzendorf lernte, saß sie unter einem Deckenfresko von Daniel Gran. Da wurde ihr bewusst: „Ja, so musst leben!“ In den 51 Jahren, in denen sie ihr Spezialgeschäft für Möbel- und Dekorationsstoffe betreibt, hat sie einige Palais, Schlösser, Klöster und Wohnungen gesehen und sich um das „stoffliche“ Interieur gekümmert. Mit ihrem Gespür sorgt sie dafür, dass die Vorhänge zu den Bezügen der Sitzlandschaften passen oder Wände mit handbedruckten Tapeten oder (Seiden-)Bespannungen versehen werden. 4000 Mustercoupons stapeln sich in ihrem Geschäft, am Anfang waren es 40. Sie kennt jedes Muster mit Namen: „Ich habe ein fotografisches Gedächtnis“, schmunzelt die Wienerin. „Neugierde ist das Wichtigste – wenn man immer nur sagt, das wird schon, kann man seinen Mantel auf den Haken hängen und lange darauf warten, dass etwas passiert.“ Sie wartete damals nicht, sondern machte sich selbstständig „Wenn jemand etwas Spezielles braucht, zum Beispiel einen Stoff, der schon bei den Medici verwendet wurde oder im Spielzimmer der Marie Antoinette, kommt er zu mir.“

Der beste „Showroom“ ist ihre eigene Wohnung. Ansonsten sei es schwierig, ihre Arbeit „im Einsatz“ zu sehen, denn ihre Kunden sind sehr zurückhaltend. Nicht so die Handvoll Vertreter ihrer Lieferanten. Man kennt sich jahrzehntelang: „Da gibt es immer ein freudiges Wiedersehen und ein ‚Hallo, wir leben noch!‘“ Ans Aufhören denkt sie nicht, denn ihr Beruf ist ihr Leben – nicht selten führt morgens der erste Weg in die Näherei. Kundenbesuche finden auch am Wochenende statt. „Es ist oft ein langer Weg, bis die Entscheidung für einen Stoff fällt. Die Ironie der Geschichte: Am Ende wird es meistens der erste von mir vorgeschlagene Mustercoupon“, so Reger. Manche der Kunden kommen bereits in der dritten Generation.


Herausfordernd werde es, wenn allzu viele Bekannte und Verwandte bei der Auswahl mitreden. Reger meint dazu lakonisch: „Man muss diplomatisch sein.“ Der treueste Anhänger ihrer Arbeit heißt übrigens Olympia und hat kein Problem damit, namentlich genannt zu werden. Die Boxerdame wickelt sich nämlich mit Vorliebe in Seidensamt und liegt hauptberuflich auf den diversen, mit kostbaren Stoffen überzogenen Fauteuils herum. Ein Leben wie ein junger Hund!

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