Wie ungarisch ist ungarische Salami?

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Ungarns Regierung will, dass die Salamihersteller mehr heimische Schweine verwursten. Produzenten kontern: Es gebe zu wenige, allenfalls die Hälfte der benötigten Schweine könnte der heimische Markt liefern.

Budapest/Belgrad. Im national erwachten Ungarn geht es wieder einmal um die Wurst. Dieses Mal nehmen die patriotisch gesinnten Machthaber auf der Regierungsbank das Schicksal eines der wichtigsten Markenzeichen des Staats ins Visier: Der Gehalt der legendären ungarischen Salami ist dem Agrarministerium in Budapest längst nicht mehr ungarisch genug.

Mark Pick, ein in Italien geborener Fleischer, hatte dem Land einst zu seiner Salamitradition verholfen. 1869 gründete er in Szeged die erste Salamifabrik des Landes, wo er anstatt Esel Schweine verwurstete. Das Rezept schlug ein: Bis heute gilt die Pick-Salami als die populärste Wurst des Landes, auf deren Verpackung Ungarns Nationalflagge prangt.

Doch ausgerechnet der Marktführer ist wegen des Verwurstens ausländischer Schweine nun ins Visier der rechtspopulistischen Regierungspartei Fidesz gerückt. Die Nahrungsmittelproduktion sei mehr als eine wirtschaftliche Strategie, sie sei ein „Problem der nationalen Sicherheit, genauso wichtig wie die militärische Frage“, plädiert Jószef Ángyán, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium, schon seit Längerem für einen „modernen Patriotismus“ zum Schutz der ungarischen Produkte.

Fleisch aus Rumänien und Polen

Konkreter wurde er jüngst in einem Interview: Er warf die ketzerische Frage auf, wie es Pick-Eigentümer Sándor Csányi vertreten könne, dass das nationale Kulturgut der Pick-Salami mit ausländischen Schweinen gefertigt werde, während heimische Bauern ihr Borstenvieh nicht verkaufen könnten.

Der millionenschwere Lebensmittel- und Bankmagnat Csányi ist indes nicht nur einer der reichsten Geschäftsmänner des Landes, sondern auch ein Gönner von Fidesz – und enger Freund von Premier Viktor Orbán. Von der Verbalattacke des Staatssekretärs zeigte sich der 57-Jährige auch keineswegs beeindruckt: Mit einer bissigen Ökonomielektion reagierte er auf die Ausführungen von Ángyán. Er würde dem Staatssekretär gerne eine Provision bezahlen, wenn dieser ihm ungarische Säue in „ausreichender Zahl und Qualität“ verschaffen könne, reagierte der Oligarch laut einem Bericht des „Budapest Business Journal“. Weil Ungarns Schweinebestand wegen hausgemachter Fehler auf ein „historisches“ Tief gefallen sei, könne Pick allenfalls 25.000 der benötigten 50.000 Schweine auf dem heimischen Markt auftreiben.

Wegen ausbleibender Investitionen in neue Technologien liege der Preis zudem weit über EU-Niveau, begründet Csányi die verstärkte Verwurstung rumänischer, polnischer oder slowakischer Säue: „Selbst wenn wir ungarischen Schweinen die Nationalfarben ins Ohr stanzen würden, wären die aus ihnen gemachten Salamis zu teuer, um verkauft werden zu können.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2011)

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