Mit einem klaren Bekenntnis zur Atomkraft haben die Ukraine und Russland tausender Opfer des Super-GAUs in Tschernobyl vor 25 Jahren gedacht. Auch Proteste begleiten den Jahrestag des Unglücks.
25 Jahre nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl haben in der Ukraine in der Nacht auf Dienstag die Feiern im Gedenken an die Tausenden Opfer des GAUs begonnen. Der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kirill (Kyrill) schlug um 1.23 Uhr Ortszeit die Tschernobyl-Glocke. Sie läutet traditionell das Erinnern am Jahrestag des Unglücks ein. Auch unter dem Eindruck des Reaktorunglücks im japanischen Fukushima wird weltweit der Atomkatastrophe gedacht.
Die Geisterstadt Pripjat
In der verstrahlten Sperrzone erinnerten die Präsidenten der bis heute am stärksten betroffenen Ex-Sowjetrepubliken Ukraine, Weißrussland und Russland an die Strahlen- und Krebsopfer. Vor allem dem mutigen Einsatz der damaligen Aufräumarbeitern ("Liquidatoren") sei es zu verdanken, dass sich das radioaktive Unheil nicht noch weiter über die Welt ausgebreitet habe, betonten Kremlchef Dmitrij Medwedjew und der ukrainische Präsident Janukowitsch.
Medwedjew kündigte eine russische Initiative für weltweit mehr Reaktorsicherheit an. Er hatte vor seiner Reise nach Kiew erklärt, die friedliche Atomnutzung gelte "als billigste und alles in allem ökologisch sauberste Energieform".
"Tschernobyl sprengt unser Vorstellungsvermögen"
Die Umweltorganisation Greenpeace bestrahlte den Reaktor 4, der am 26. April 1986 bei einer Notfallübung explodiert war, mit einer Lichtprojektion. Auch ein Totenkopf sowie Anti-Atom-Kraft-Slogans in Japanisch, Deutsch und Russisch waren zu sehen. "Wir sind den Opfern von Tschernobyl gegenüber zum Atomausstieg verpflichtet", sagte der deutsche Greenpeace-Aktivist Tobias Münchmeyer in der kühlen und klaren Nacht am Kraftwerk: "Die Dimension der Atomkatastrophe sprengt noch immer unser Vorstellungsvermögen. Noch viele Generationen werden mit den gravierenden Folgen von Tschernobyl kämpfen müssen."
In Russland zündete die Umweltorganisation Bellona in St. Petersburg fliegende Fackeln aus Papier an, die in die Luft stiegen. Nach der Reaktorexplosion in der damaligen Sowjetunion hatte eine Feuersbrunst über Tage radioaktive Teilchen kilometerweit in die Luft geschleudert. Die Strahlenwolke breitete sich auch über weite Teile Westeuropas aus. Bis heute sind Böden mit radioaktiven Stoffen wie etwa Cäsium-137 belastet. Das Strahlengift kann Krebs und andere Krankheiten erzeugen.
Der Super-GAU vor 25 Jahren
Internationale Proteste
Der Gedenktag wurde international auch von Protesten gegen Atomeneergie begleitet. Am Montag fand in Wien auf Aufruf von Global 2000 eine Kundgebung am Stephansplatz statt, an der rund 700 Menschen teilnahmen. "Wir wissen, dass seit Tschernobyl 160 neue AKW auf der Welt gebaut wurden - und dass die Atomlobby nur warten möchte, bis das Thema in Vergessenheit gerät", sagte Bundeskanzler Werner Faymann in seiner Rede.
In Deutschland haben mehr als 100.000 Menschen nach Angaben der Veranstalter an Ostern gegen Militäreinsätze und Atomkraft demonstriert. Die traditionellen Ostermärsche für Frieden und Abrüstung waren 25 Jahre nach Tschernobyl auch von der aktuellen Diskussion um die Kernenergie angesichts der Atomkatastrophe in Japan geprägt. Deutsche Bischöfe begrüßten in ihren Osterpredigten einen Ausstieg aus der Atomenergie und mahnten Hilfen für die Konfliktregionen in Nordafrika an.
Auch in Frankreich kam es im Rahmen des Tschernobyl-Gedenkens zu Demonstrationen. Mehrere tausend Demonstranten haben sich am Ostermontag nach Veranstalterangaben zu einer Demonstration gegen das französische Atomkraftwerk Cattenom versammelt.Seit der Atomkatastrophe in Japan hat der Widerstand gegen das nahe Deutschland und Luxemburg gelegene Atomkraftwerk neuen Auftrieb bekommen. AKW-Gegner und Politiker wie Saar-Ministerpräsident Peter Müller (CDU) und der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker fordern eine möglichst schnelle Abschaltung der insgesamt vier Reaktoren. Mit der Demonstration in Cattenom solle auch an den 25. Jahrestag der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl erinnert werden, sagte die Sprecherin.
Weißrussische Tschernobyl-Umsiedler haben im Dorf Druzhnaja nördlich der Hauptstadt Minsk eine neue Heimat gefunden. Jetzt fühlen sie sich von dem geplanten Atomkraftwerk Astrawets allerdings erneut bedroht.
Die Veranstaltung von Global 2000 war fest in Hand der Sozialdemokraten. Die Grünen wurden geduldet, von der ÖVP durften nicht einmal Minister auf die Bühne.
25 Jahre nach der Reaktorkatastrophe in der Ukraine kehrt zaghaft Leben in die kontaminierte Zone zurück. In der Stadt misst man eine hundertmal höhere Strahlenbelastung als im rund 130 Kilometer entfernten Kiew.