Exodus der Banken aus dem Land des Komplexlers Putin

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Für ausländische Unternehmer wird es schwieriger, sich auf dem russischen Markt zu behaupten. Grund dafür ist nicht zuletzt das erstarrte Machtsystem.

Leitartikel

Nach gerade einmal zwei Jahren hat die britische Großbank HSBC die Nase voll: Sie schließt ihr Privatkundengeschäft in Russland. Schon im Februar hat Barclays Bank PLC angekündigt, sich aus diesem Sektor zurückzuziehen. Ein gewichtiger Grund für den Rückzug mag dabei der harte Wettbewerb mit auf dem russischen Geldmarkt bereits etablierten ausländischen Banken wie etwa der Raiffeisen Bank International oder der Citigroup – vor allem aber mit den staatlich kontrollierten russischen Großbanken wie der Sberbank sein. In einem Land wie Russland, wo Macht und Geld derart verwoben sind und auch die Justiz den Anordnungen von oben folgt, ist man als von außen kommender Akteur immer der Zweite.

Was aber Russland mittel- und langfristig noch schaden wird, ist die Symbolik, die von solchen Rückzügen ausgeht. Mittlerweile gibt es ja schon etliche westliche Unternehmen, die sich bei ihrem Engagement in Russland eine blutige Nase geholt haben, BP ist eines davon. Russland ist ein schwieriger Markt, aber es lässt sich viel Geld verdienen, wiederholen freilich jene Unternehmer, die unentwegt weiter ihre Geschäfte im Putin-Land machen wollen.

Noch hallen die euphorischen Worte des starken Mannes Russlands, des Regierungschefs Wladimir Putin, in seiner Rede vergangene Woche im Parlament nach: „...haben in einer sehr komplizierten globalen Krise ernsthaft Risken vermieden“, „keine Experimente, die auf einer ungerechtfertigten Liberalisierung beruhen“, „bis 2020 sollte sich Russland im Kreis der fünf größten Volkswirtschaften befinden“, „müssen unabhängig und stark sein, um dem Druck von außen widerstehen zu können“.

Sein ganzes politisches Weltbild hat Putin da wieder hineingepackt – voll des Eigenlobs und bar jeder Selbstkritik, voll der Furcht vor tiefer gehenden Reformen, des grenzenlosen Selbstvertrauens und bodenlosen Optimismus; und alles, was von außen kommt, ist für Russland schlecht und bedrohlich – igeln wir uns deshalb weiter ein und bauen Raketen. So will Putin die Zahl der russischen Interkontinentalraketen verdoppeln und der Modernisierung der Luftstreitkräfte sowie der Luftabwehrsysteme höchste Priorität einräumen.

Und was ist mit der Modernisierung der russischen Wirtschaft, der Gesellschaft, des politischen Systems? Darüber redet Putin am liebsten gar nicht oder nur oberflächlich. Dass es für Russland auf längere Zeit nicht gesund ist, sich nur auf steigende Rohstoffpreise zu verlassen, ist inzwischen auch zu ihm durchgedrungen. Russland müsse sich ökonomisch breiter aufstellen und für sich ein neues Wirtschaftsentwicklungsmodell finden, erklärte er vor den Abgeordneten. Ansonsten aber überlässt Putin das Reden über die Modernisierung des Landes und das Werben um Modernisierungspartnerschaften mit westlichen Ländern dem Präsidenten, Dmitrij Medwedjew.

Vieles deutet schon jetzt darauf hin, dass die vier Jahre der Präsidentschaft Medwedjew 2012 enden werden und Putin selbst wieder zurück in den Kreml will. „Das wäre der Ruin Russlands“, klagt die russische Bürgerrechtlerin Swetlana Gannuschkina und fügt hinzu: „Ein Mann an der Macht mit so vielen Komplexen wie Putin ist sehr gefährlich.“

Denn ein Komplexler wie Putin versteht die Komplexität politischer, wirtschaftlicher, sozialer und gesellschaftlicher Prozesse nicht. Putin will alles von oben diktieren – wer das Land führt, wie Politik und Wirtschaft funktionieren sollen, was für die Gesellschaft gut ist. Dabei sollte er einmal seinem Stellvertreter, Finanzminister Alexej Kudrin nämlich, zuhören, der vergangene Woche vor Geschäftsleuten erklärt hat: „Politischer Wettbewerb ist ein notwendiges Element, um jedwede Wirtschaft angemessen zu strukturieren.“

Es gäbe so viele kluge, aufgeschlossene, moderne, geschäftstüchtige Köpfe in Russland. Sie können nicht, sie dürfen nicht, weil die verbohrten, eindimensionalen, reformresistenten Geheimdienstler, Militärs und Polizisten um Putin sie nicht machen lassen. Deshalb soll Putin ab 2012 im Kreml weitermachen, damit es nur ja keine Veränderungen gibt und die jetzige Machtclique weiter Reichtümer anhäufen kann. Soll das Land dabei ruhig vor die Hunde gehen... Seite 1

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.04.2011)

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