Die hohe Verschuldung und die Kosten für den Wiederaufbau belasten das Rating für Japan. S&P senkte den Ausblick für die drittgrößte Volkswirtschaft von „stabil“ auf „negativ“.
Tokio/Reuters/Red.). Der immens hohe Schuldenstand Japans– er ist doppelt so hoch wie die Wirtschaftsleistung von fünf Billionen Dollar – hatte schon ausgereicht, dass die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) im Jänner das Rating um eine Stufe auf AA– herabgesetzt hat. Jetzt kam der nächste Schlag: S&P senkte am Mittwoch den Ausblick für die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt von „stabil“ auf „negativ“. Damit droht Japan binnen zwei Jahren eine erneute Herabstufung seiner Kreditwürdigkeit. Erst vor einer Woche hat S&P den langfristigen Ausblick für die USA ebenfalls auf „negativ“ gesenkt.
Als Grund nannte S&P die enormen Kosten für den Wiederaufbau nach dem Erdbeben und der Atomkatastrophe, die die Ratingagentur auf 20 bis 50 Billionen Yen (245 bis 613 Mrd. Dollar) schätzt. Diese würden die Verschuldung Japans weiter erhöhen.
Defizit über acht Prozent
Sollte Japan nicht zusätzliche Staatseinnahmen generieren können, dürften die Kosten zu einem weiteren Anstieg der ohnehin hohen öffentlichen Defizite führen, urteilte S&P. Das Defizit werde bis Ende 2014 bei über acht Prozent der Wirtschaftsleistung liegen.
Gleichwohl werde die Katastrophe die mittelfristigen Wachstumsperspektiven Japans nicht schmälern, räumte S&P ein. Gestützt werde die Bonität Japans derzeit von der hohen Vermögensposition im Ausland, dem robusten Finanzsystem und der wettbewerbsfähigen Wirtschaft.
Mit dem Schuss vor den Bug hat S&P den Druck auf die Regierung in Tokio deutlich erhöht, Reformen im Finanzsystem und vor allem Steuererhöhungen durchzusetzen. Dazu bedarf es jedoch eines politischen Konsenses, der sich derzeit nicht abzeichnet. Die schwerste Krise des Landes seit dem Zweiten Weltkrieg hat die Regierung von Ministerpräsident Naoto Kan und die Opposition nicht zusammenrücken lassen. Da Kan sogar in den eigenen Reihen nicht sehr beliebt ist, wird ihm von internationalen Beobachtern kaum Schlagkraft zugetraut. Jetzt, so meinen Analysten, könnte die Warnung von S&P aber Kan helfen, auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen.
Keine Überraschung für Börsen
Experten zeigten sich von der Einschätzung nicht überrascht. „Ich denke, es war nach der dreifachen Katastrophe unvermeidbar“, sagte Rob Ryan von BNP Paribas. Die Finanzmärkte reagierten kaum. Der Yen büßte nur wenig an Wert ein.
Mit AA–, der vierthöchsten Bewertung, liegt Japan eine Stufe unter Spanien. Die Ratingagentur Moody's hat auch angedroht, ihre Note auf Aa2 (die drittbeste) zu senken, sollte Japan Reformen schuldig bleiben. Nun teilte Moody's mit, dass man am negativen Ausblick festhalte. Fitch stuft Japan mit AA auch auf die drittbeste Note, hält den Ausblick aber für „stabil“.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2011)