Historischer Kompromiss mit Schönheitsfehlern

Wenn das Ortstafelgesetz beschlossen wird, dann wird dies in erster Linie der Großzügigkeit der slowenischen Minderheit in Kärnten zu verdanken sein.

Die Freude bei der Verkündigung des „historischen Kompromisses“ im Spiegelsaal der Kärntner Landesregierung am Dienstagabend war dann doch einigermaßen getrübt, als Landeshauptmann Gerhard Dörfler auf Nachfrage bekannt gab, dass es über diesen nun doch eine Volksbefragung geben werde. Insgeheim hatten nicht nur die Kärntner Slowenen gehofft, dass diese freiheitliche Forderung letztlich doch noch fallen gelassen wird. Als Geste des guten Willens.

Doch Großzügigkeit und Entgegenkommen war in diesen Tagen nur von den Vertretern der Kärntner Slowenen zu erwarten. Sie tragen den Kompromiss mit – obwohl ihnen ebendiese Volksbefragung oktroyiert wurde. Obwohl sie von der vom Verfassungsgerichtshof ausgegebenen Zehn-Prozent-Regelung abrücken müssten. Obwohl die endgültige Liste nun sogar einen zweisprachigen Tafelort weniger – nämlich Dobein/Dobajna – vorsieht als die Anfang April beschlossene. Obwohl die Amtssprachenregelung einigermaßen skurrile Züge trägt, die möglicherweise verfassungsrechtlich ohnehin nicht hält.

Vor allem die Volksbefragung ist eine sinnlose Aktion. Dem Vernehmen nach wäre Landeshauptmann Gerhard Dörfler sogar dafür zu haben gewesen, darauf zu verzichten. Doch er hat sich anscheinend nicht durchgesetzt. So kann auch das selbstzufriedene Schmunzeln Uwe Scheuchs interpretiert werden, als dieses Thema während der Pressekonferenz der Ortstafelverhandler zur Sprache kam.

Auch die Amtssprachen-Sondernummer war eine Scheuch-Idee. Grundsätzlich gilt in allen Gemeinden mit slowenischen Tafeln Slowenisch als zweite Amtssprache. Lediglich in den Gemeinden St. Kanzian und Eberndorf gilt das explizit nur für die Bewohner einiger Orte. Dort hat es zuvor Gemeinderatsbeschlüsse gegen zweisprachige Ortstafeln gegeben. Und wundersamerweise gibt es nach Dienstagabend nun auch in der FPK-Gemeinde Keutschach keine zweisprachige Tafel – in besagtem Dobein – mehr.

Details zur Volksbefragung wie die genaue Fragestellung will die FPK erst in ein paar Tagen präsentieren. Letztlich könnte es zur paradoxen Situation kommen, dass die deutschsprachige Bevölkerung bei einer Volksbefragung, die von den Slowenen boykottiert wird, mit mehrheitlicher Zustimmung die Ortstafel-Lösung rettet. Im besten Fall. Doch was ist, wenn nur diejenigen hingehen, die gegen den Kompromiss sind – und Negativmotivation ist bei Abstimmungen oftmals ein stärkerer Antrieb – und diese Mehrheit dann ein Nein bewirkt? Diese Möglichkeit hält Dörfler für ausgeschlossen. Und Inzko auch. Möge sich ihr Wunschdenken bewahrheiten.

Apropos Valentin Inzko. Er muss mit dem endredigierten Kompromiss nun noch einmal in sein Volksgruppengremium. Das Verhandlungsergebnis ist aber mehr oder weniger dasselbe wie vor einigen Wochen. Damals wurde es von der Mehrheit der Delegierten des Rats der Kärntner Slowenen abgelehnt. Wieso sollte das diesmal anders sein? Rudolf Vouk, einer der Unnachgiebigen im Rat, skizziert einen möglichen Ausweg aus dem Dilemma: „Vielleicht bleibe ich zu Hause, um Inzko einen Gefallen zu tun. Würde ich hingehen, müsste ich dagegen stimmen.“

Das ist nun wohl auch der Schlüssel zum Erfolg. Ermüdung und Überdruss. Sowohl die Deutschkärntner als auch Slowenischkärntner haben das Thema Ortstafeln mittlerweile satt. Es ist an der Zeit, den Kompromiss trotz seiner Schönheitsfehler anzunehmen. Die historische Bedeutung ist evident. Auch der Platz in den Geschichtsbüchern für Gerhard Dörfler und Josef Ostermayer ist reserviert. Und wenn die 164 zweisprachigen Ortstafeln erst einmal einige Zeit stehen, dann werden sich auch jene, die heute noch mit dem Brett vor dem Kopf herumlaufen, nicht mehr daran stoßen. Die normative Kraft des Faktischen macht's möglich.

Bringt Valentin Inzko das Verhandlungsergebnis nun auch noch in seinem Rat der Kärntner Slowenen durch, dann steht das Land Kärnten in der Schuld seiner slowenischen Mitbürger. Und so mancher Deutschkärntner darf sich für seine Kleinkariertheit dann auch noch ein wenig schämen.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2011)

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