Missbrauchsopfer kritisieren Papst-Seligsprechung

HANS KUENG
HANS KUENG(c) EPA (Jens Kalaene)
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Johannes Paul II. sei "intolerant und unwillig zum Dialog" gewesen, sein Umgang mit kirchlichem Missbrauch sei ein "kolossales Versagen", kritisieren Missbrauchsopfer und der Theologe Hans Küng.

Kurz vor der Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. am kommenden Sonntag melden sich Kritiker zu Wort. Der Tübinger Theologe Hans Küng kritisierte, der frühere Papst tauge nicht zum Vorbild für katholische Gläubige. Mehrere Organisationen von Missbrauchsopfern schlossen sich der Kritik an, darunter die österreichische Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt.

Johannes Paul habe "ein autoritäres Lehramt ausgeübt, er hat die Menschenrechte von Frauen und Theologen unterdrückt", sagte der Kirchenkritiker gegenüber der "Frankfurter Rundschau". Diese dunklen Seiten seien im Seligsprechungsprozess unberücksichtigt geblieben. Johannes Paul II. sei "intolerant und unwillig zum Dialog" gewesen.

Der Theologe äußerte scharfe Kritik am Vorgehen von Papst Benedikt XVI., der die Seligsprechung in Rekordzeit vorangetrieben hatte: "Der Nachfolger spricht den Vorgänger selig? Da geht es doch in Rom zu wie zu den Zeiten der Cäsaren, die den jeweils vorangegangenen Kaiser zum Gott erhoben." Wie ein absolutistischer Fürst habe Benedikt XVI. das eigene Kirchenrecht gebrochen, um Johannes Paul im Hauruck-Verfahren seligsprechen zu können.

"Kolossales Versagen"

"Wenn man an das Leid unzähliger Kinder denkt, deren Täter durch die Vertuschungsaktionen der katholischen Glaubenskongregation - hervorgegangen aus der 'Heiligen Inquisition' - vor Verfolgung geschützt wurden und werden, und wie die Kirche diese geschändeten Kinder behandelt, so scheint diese Seligsprechung weltfremd und absurd", kritisierte auch Sepp Rothwangl von der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt.

Kritik kam auch vom US-amerikanischen Netzwerk der Überlebenden von Missbrauch durch Priester (SNAP). "Wenn fehlbare Menschen wie Johannes Paul II. seliggesprochen wird, damit er sich nicht nur wie früher als heilig ansprechen sondern auch anbeten lassen kann, dann ist offensichtlich Irrsinn vorhanden", sagte Eva Nowatschek, die Sprecherin der von SNAP-Austria. "Die große Show um Johannes Paul II. soll ablenken vom kolossalen Versagen im Umgang mit sexualisierter Gewalt und Misshandlung gegenüber unschuldigen Kindern. Der frühere Papst hat von vielen grausamen Verbrechen an wehrlosen Kindern gewusst, doch die Täter geschützt und weiter gewährenlassen."

"Sexualisierte Gewalt ist tief in der Kultur und Praxis der katholischen Priester und Bischöfe verwurzelt, sogar noch tiefer verwurzelt, weil Johannes Paul II. jahrzehntelang Misshandlungen im Wesentlichen tolerierte", erklärte die Präsidentin und Gründerin der US-amerikanischen Organisation für Opfer von sexualisierter Gewalt und Missbrauch durch Priester (SJAP), Barbara Blaine.

"Kirche sollte Opfern helfen"

"Nicht nur für mich persönlich, sondern weltweit für viele Opfer, die als Mädchen und Buben in der Amtszeit von Papst Johannes Paul II. missbraucht wurden, ist diese Seligsprechung Salz in ihre tiefen, noch immer frischen Wunden", erklärte Norbert Denef, Vorsitzender des Netzwerks Betroffener von sexualisierter Gewalt der Wochenzeitung "Die Zeit". "Anstatt einen toten Papst seligzusprechen, sollte die Kirche den Opfern helfen", forderte Denef.

Ein Skandal um sexuellen Missbrauch durch Geistliche vor allem in Irland und Deutschland hatte im vergangenen Jahr die katholische Kirche erschüttert. Papst Benedikt XVI. reagierte mit einem Ruf nach Durchgreifen, Transparenz und vorbeugenden Strategien.

Sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte erstmals im März 2000 im Petersdom die Sünden der "Söhne der Kirche" in zwei Jahrtausenden bereut und bedauert. 2002 hatte der polnische Pontifex angesichts sich häufender Nachrichten aus den USA über sexuellen Missbrauch in der Kirche angeordnet, dass solche Fälle stets und umgehend dem Vatikan gemeldet werden müssen.

(APA)

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