Demografie: Lebenslust statt Wohnfrust

(c) AP (Matthias Rietschel)
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Unsere Lebenserwartung steigt ständig und die Forderungen der Senioren ans Wohnen verhallen nicht ungehört. Auch Wohnbauträger müssen darauf eingehen.

Wir werden älter: Das sagen Demografen in der Regel als Erstes, wenn sie nach wichtigen Bevölkerungsentwicklungen gefragt werden. Gemeint ist das Lebensalter des Durchschnittsbürgers ebenso wie das der Gesellschaft im Allgemeinen. Der Überhang in der Alterspyramide ab der Generation „fünfzig plus“ wird immer augenscheinlicher und auch die Statistiken sprechen eine eindeutige Sprache. Bei Eurostat prognostiziert man langfristig einen Anstieg der Anteile im Altersbereich über 65 in allen 27 EU-Ländern und zwar meist gleich um mehr als zehn Prozent. Damit wird ein Trend aus der Vergangenheit fortgeschrieben. Der Prozentsatz der Österreicher im Alter von 65 Jahren oder mehr hat sich in den letzten Jahrzehnten laufend erhöht. Das Durchschnittsalter der Österreicher wird laut Statistik Austria bis zum Jahr 2050 um fünf bis sechs Jahre steigen. 2009 lag die Lebenserwartung von Frauen bei 82,9 und bei Männern bei 77,4 Jahren.

Selbstbestimmt in Pension

Wohnen für ältere Mitmenschen ist darum auch ein Thema, das Wohnbauträger verstärkt berücksichtigen. Lange definierte man die Anforderungen der älteren Zielgruppe über die Betreuungsmöglichkeit, wie sie etwa Seniorenheime oder -residenzen bieten. Mittlerweile ist ein gegenteiliger Trend festzustellen. Barrierefreie Wohnprojekte werden für Menschen geschaffen, die auch im Alter aktiv und auf sich gestellt bleiben wollen. „Die Menschen wollen heute im Alter zu Hause bleiben und nicht frühzeitig in ein Altersheim gehen“, meint Ernst Kovacs, Bereichsleiter Projektentwicklung Österreich bei Raiffeisen evolution.

Die Antworten, die Bauträger bieten, zielen daher auch auf einen möglichst hohen Grad an Barrierefreiheit ab. Diese zieht sich als Thema bis ins Detail, von der Tür, die ohne Tücken zu überwinden ist bis hin zum Haltegriff im Bad. Aber nicht nur die Motorik will berücksichtigt werden, auch Seh- und Wahrnehmungsschwächen spielen eine Rolle. Die Orientierung in den Gängen und die Bedienbarkeit der Türen kann für alternde Menschen ein Problem werden.

Wer den Begriff der Barrierefreiheit im Wohnungsverkauf verwendet, muss den rechtlichen Definitionen entsprechen. Im Behindertengleichstellungsgesetz versteht man darunter, dass Menschen mit Behinderungen ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe ein Gebäude nutzen können. Vermehrt werden Objekte vorausschauenderweise vor dem Hintergrund gewählt, dass sie auch fürs Wohnen im hohen Alter noch geeignet sind. Gefragt sind Hybridmodelle: breite komfortable Gänge und Wohnungen, bei denen man dank flexibler Grundrisse später den Raum adaptieren kann. „Mit dem Alter beginnen die Menschen auch praktischer zu denken“, meint Kovacs und verweist darauf, dass beispielsweise rutschhemmende Bodenbeläge gegenüber designorientierten Lösungen ein Vorteil sein können.

Herbert Egger, Verkaufsleiter vom Fertighausproduzenten Genböck, sieht in den Senioren eine neue Kundenschicht: „Barrierefreiheit ist ein großer Trend. Wir hatten zuletzt unter anderem eine ältere, alleinstehende Dame als Kundin, die sich einen Bungalow errichten ließ.“ Beim Aufzugunternehmen Schindler sieht man insbesondere das Nachrüsten von mehrgeschoßigen Einfamilienhäusern als Wachstumsmarkt. „Wir gehen davon aus, dass der Geschäftsbereich Treppenlifte in Zukunft stark an Bedeutung gewinnt“, meint Anton Marschall, Geschäftsführer Schindler.

Gemeinsam aktiv

Generell werden Senioren im Vergleich zu früher als rüstiger und erlebnishungriger eingestuft. Um als älterer Single nicht auf sich allein gestellt zu sein, ist auch die jeweilige Hausgemeinschaft ein Thema. Spezielle Wohnprojekte in Sachen Seniorenhausgemeinschaft gibt es ebenfalls und da hat sich das Einplanen einer Besucher- oder Betreuerwohnung bewährt.

So auch bei einem europäischen Vorzeigeprojekt namens Olga (Oldies leben gemeinsam aktiv) in Nürnberg. „Hier entscheiden die weichen, zwischenmenschlichen Faktoren, wie man zusammenlebt“, resümiert der verantwortliche Geschäftsführer Peter Richter. Entscheidend sei dabei die Möglichkeit, den individuellen Lebensstil in der eigenen Wohneinheit mit gemeinsamen Aktivitäten kombinieren zu können. Einer Vereinsamung im Alter würde dies entgegenwirken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2011)

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