Gül in Wien: Staatsbesuch mit Schönheitsfehlern

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FPÖ und BZÖ weigern sich, am Bankett mit dem türkischen Präsidenten teilzunehmen. Der wirbt für Visafreiheit und einen EU-Beitritt der Türkei. Den türkischen Migranten in Österreich wies Gül eine Brückenfunktion zu.

WIEN/W. S. Nicht alle zeigen sich erfreut über den dreitägigen Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Abdullah Gül in Österreich. Dass kurdische Vereine zu einer Protestkundgebung wegen der Lage der Kurden in der Türkei aufriefen, war zu erwarten. Doch auch zwei österreichische Parlamentsparteien bereiten dem türkischen Staatsoberhaupt einen eisigen Empfang: Vertreter von FPÖ und BZÖ kündigten an, nicht am abendlichen Staatsbankett mit dem Gast aus Ankara teilnehmen zu wollen. Die FPÖ wollte zudem ein Protestschreiben an Gül übergeben. Und BZÖ-Europasprecher Ewald Stadler donnerte, der türkische Präsident sei in Österreich „nicht willkommen“. Grund für die Aufregung bei FPÖ und BZÖ: das Interview des türkischen Botschafters Kadri Ecvet Tezcan in der „Presse“ im November, in dem dieser unter anderem Kritik an Österreichs Regierung und der Lage der türkischen Migranten übte, und der Umstand, dass Tezcan nach wie vor nicht von Ankara von seinem Posten in Wien abgezogen worden ist.

„Europäische Völker werden entscheiden“


Bei der gemeinsamen Pressekonferenz Güls mit dem österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer am Montag unterstrich man freilich die guten bilateralen Beziehungen. Fischer sagte in Replik auf Stadlers Aussage, der türkische Präsident sei „in höchstem Maße“ willkommen. Er wolle sich zudem mit solch „unhöflichen und wenig relevanten Bemerkungen nicht weiter auseinandersetzen“. Der Bundespräsident verwies auf die engen bilateralen Wirtschaftsbeziehungen. Österreich war 2010 der größte direkte Investor in der Türkei.
Gül nutzte die Pressekonferenz, um für Visaerleichterungen und einen EU-Beitritt seines Landes zu werben. Mit einer Aufnahme der Türkei in die Europäische Union würde sich „der Kuchen weiter vergrößern“. Gül sprach von einer Win-win-Situation, von der auch österreichische Unternehmen profitierten. Dadurch würden in Österreich neue Arbeitsplätze geschaffen.

Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei seien ein technischer Prozess, in den keine politischen Punkte eingebracht werden sollten, meinte Gül. „Wenn es so weit ist, wird die Europäische Kommission sagen, ob die Türkei bereit ist. Und dann werden die europäischen Völker entscheiden, ob ihnen das gefällt.“
Gül verlangte zudem Visaerleichterungen für türkische Staatsbürger in der EU: Türkische Geschäftsleute könnten wegen des rigiden Visaregimes oft nicht zu Veranstaltungen in der EU reisen, um dort ihre Produkte zu präsentieren. „Wir sind vor vielen Jahren der Zollunion beigetreten und haben unsere Tore für die EU-Länder geöffnet.“ Die EU jedoch habe zwar schon mit Russland und der Ukraine Verhandlungen über Visaerleichterungen eröffnet, nicht aber mit der Türkei. „Das ist keine faire Situation und schwächt nicht die Kreditwürdigkeit der Türkei, sondern der EU.“

Den türkischen Migranten in Österreich wies Gül eine Brückenfunktion zwischen beiden Ländern zu. Er forderte sie erneut auf, so gut Deutsch zu lernen, dass sie es akzentfrei sprechen können. Sie müssten aber auch Türkisch beherrschen. „Wenn nötig, müssen wir die Möglichkeiten zum Zugang zu Sprache verbessern.“

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