Aachen erklärt Graffiti zu Denkmälern

Aachen erklaert Graffiti Denkmaelern
Aachen erklaert Graffiti Denkmaelern(c) de.wikipedia.org, Fotografin: Regina Weinkauf
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Vor fast zwei Jahren starb der Graffiti-Künstler Klaus Paier, nun stellt die Stadt Aachen seine Werke unter Denkmalschutz. Er provozierte mit politischen Statements.

Als "Aachener Wandmaler" wurde Klaus Paier, 1945 geboren, Ende der Siebziger Jahre bekannt: Der Physikstudent malte heimlich und illegal, musste immer damit rechnen, erwischt zu werden: Über Abrüstung, Kriege und atomare Bedrohung. Er provozierte. "Ich will an die Wand bringen, was mir Lust und Angst macht", sagte er einmal. Im tiefschwarzen Aachen wurde seine Kunst lange als Schmiererei gesehen. Viele Graffiti wurden weggeätzt - kaum dass sie entstanden waren - oder übermalt. Nun, fast zwei Jahre nach Paiers Tod im Juli 2009, stellt Aachen den kleinen Rest seines Werkes unter Denkmalschutz.

Die bis zu zehn Quadratmeter großen Graffiti haben an Uni-Gebäuden "überlebt". Mit dem ungewöhnlichen Schritt zum Graffiti-Schutz leisten die Aachener Abbitte, zwei Jahre nach dem Tod des Künstlers: Paiers Werk ist keine Kritzelei, sondern "ein künstlerisches Werk mit politischer Bedeutung", teilte das Rheinische Amt für Denkmalpflege am Montag mit. Die Denkmalpfleger sehen ganz gute Chancen, dass es keinen Widerstand gegen die Unterschutzstellung gibt.

Kein Freifahrtschein für Graffiti

Ist das ein Freifahrtschein für alle Graffiti-Künstler und die, die sich dafür halten? Dem Landeskonservator Udo Mainzer ist klar, wie schwierig das Terrain ist, auf dem sich die Denkmalpfleger bewegen. "Das Ganze ist ein Hochseilakt", sagte er am Montag. Graffiti, das sei für die Denkmalpflege Neuland. Wie bei Denkmälern üblich sollen die Bilder nicht nur erhalten, sondern auch restauriert werden. Vielleicht ein Thema für den relativ jungen Studiengang Restaurierung und Erhalt von Graffiti in Dresden.

Schutz, das bedeutet bei Denkmälern Schutz vor Veränderung. "Es soll verhindert werden, dass der Hauseigentümer plötzlich Platten anbringt oder das Bild mit Farbe überstreicht", sagte ein Sprecher der Aachener Denkmalbehörde. Man könne damit aber nicht verhindern, dass jemand absichtlich "einen Eimer Farbe dagegen schüttet".

Was ist Kunst?

Was ist "Schmiererei", was ist Kunst? Diese Frage hatte sich auch der frühere Aachener Oberbürgermeister Kurt Malangre gestellt. Heute plagt ihn das Gewissen, dass er nicht schon viel früher eingeschritten ist und das Werk des Künstlers geschützt hat. Im Ruhestand kam er häufiger an diesem "Null-Bock-Graffito" von damals vorbei - das aber schon sehr verblasst war. "Ist das völliger Quatsch oder ist das ernstzunehmende Kunst?" fragte er Fachleute. "Kunst", war die Meinung. Der Stein kam ins Rollen.

Einer seiner Mitstreiter ist der frühere Museumsdirektor Wolfgang Becker. Der schätzte Paier schon sehr früh als Künstler. Es war zwar sehr schwer an den öffentlichkeitsscheuen Mann heranzukommen, aber Becker schaffte es und machte 1984 eine Ausstellung mit Fotos der Arbeiten. Wie der weltweit bekannte Sprayer von Zürich, Harald Naegeli, gehörte der Aachener zwar zu den Street-Art-Künstlern, aber im Gegensatz zum Schweizer griff er nicht zur Sprühdose.

Keine Sprühdosen, sondern Stifte und Pinsel

"Er arbeitete mit Stiften, Kreiden und Farben, die nicht so spontan aufzutragen sind", erzählte Becker. In zwei Arbeitsgängen entstanden zuerst die Skizzen mit den typisch kantigen Konturen, dann kam der Farbauftrag. "Viele Bilder waren, kurz nachdem sie geschaffen waren, wieder weg", beobachtete Becker. Paier war das bewusst und fotografierte alle seine Fassadenbilder ab - so blieben sie auf eine Art doch erhalten.

(Ag./Red.)

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