Der Mieter, das unbekannte Wesen?

Labyrinth Haus
Labyrinth HausPixel/Fotolia
  • Drucken

Obwohl Flächen für oft unbekannte Nutzer errichtet werden, ist der Mieter kein unerforschtes Wesen. Architekt Herbert Zitter über Mieterbedürfnisse und Büroflächen.

Zuerst formen wir Gebäude, dann formen diese uns. Mit diesem in der Zwischenzeit viel zitierten Spruch brachte Winston Churchill das Wesen von Immobilien auf den Punkt. So ist ein Gebäude nicht nur ein Ort, an dem gearbeitet wird. Er ist auch immer Ausdruck von Identität beziehungsweise ein Mittel, um Identität zu stiften. Nun: So wie die Identität einer Bank eine ganz andere als jene einer NGO oder einer Werbeagentur ist, so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse hinsichtlich Flächen und Objekte. Wie können diese Flächen so geplant werden, dass den unterschiedlichen Nutzerbedürfnissen optimal Rechnung getragen wird? Anders ausgedrückt: Selbst wenn ich meinen Mieter nicht kenne, ist dieser tatsächlich das unbekannte Wesen?

Nicht nur die Frage nach Identität und Objekten, sondern auch die veränderten Rahmenbedingungen nach der Finanzkrise verlangen nach einer besseren Erfassung der Mieterbedürfnisse. Reichte bis vor kurzem eine Vorvermietung von 10 Prozent, um die Finanzierung eines Bürohausprojektes zu sichern, benötigt man heute eine Vorvermietung von sogar bis zu 70 Prozent. Damit können Flächen auch nutzergerecht und effizienter geplant werden, jedoch bleibt immer noch ein Flächenanteil von 30 Prozent, der für unbekannte Mieter vorgesehen ist. Abgesehen davon muss immer berücksichtigt werden, dass sich Mieterbedürfnisse ändern. Wenn die bestehenden Flächen diesen veränderten Ansprüchen nicht mehr gerecht werden und kein einfacher Umbau möglich ist, dann ziehen Mieter aus. Dies kann zu Leerständen führen, einem Umstand, der bekanntlich der größte Feind der Immobilie ist. Will man dies verhindern, muss so geplant und gebaut werden, dass Flächen auch in Zukunft noch genutzt beziehungsweise mit wenig Aufwand adaptiert werden können.

Qualitätskriterien nicht isoliert betrachten

Was sind nun Qualitätskriterien für die Büroflächen der Zukunft, die für jeden Mieter Lösungen bieten? Grob zusammengefasst, handelt es sich dabei um Fragen hinsichtlich Lage, Image, baulich-technischer Qualität, Nutzbarkeit und Nachhaltigkeitsaspekten. Während die Lage das große Vorentscheidungskriterium bleibt, muss man sich bei den anderen Kriterien zunächst Fragen stellen, wie zum Beispiel: Was nützt das grünste Bürohaus, wenn die angebotenen Flächen viel zu unwirtschaftlich für den Bedarf der Mieter sind? Können bestehende Flächen verändert werden? Getreu dem Prinzip, dass der nicht gebaute Quadratmeter der nachhaltigste ist, steht die Flächeneffizienz an vorderster Stelle. Ebenso: Was nützt die beste thermisch isolierte Fassade, wenn der Mieter mit seinem Verhalten zur Energieverschwendung neigt und keine Anreize zu einer Veränderung gegeben werden? Über die Einführung einer Flatrate bei den Betriebskosten in Kombination mit einer Sanktionierung bei Überschreitung dieser Flatrate kann, bei aller Kontroverse, zumindest nachgedacht werden. Baulich-technische Qualität muss im Sinne der Nutzbarkeit und Nachhaltigkeit und damit der Veränderung verstanden werden.

Reversible und flexible Büroformen

Büroflächen können so geplant werden, dass sie unterschiedlichen oder sich verändernden Mieterbedürfnissen entsprechen und eine Teilung oder Zusammenlegung dieser möglich ist. Ein einfaches Beispiel: Stellen Sie sich ein Bürohaus vor, in dem auf jeder Etage mehrere Mieter sind. Lege ich die sogenannten Kernflächen (Sanitäranlagen, Liftschacht, Nebenräume, Erschließungsbereiche) mitten in den Büroflächen an, können diese letzteren nicht beliebig geteilt oder zusammengelegt werden. Dies würde bei veränderten Mieter- und Flächenverhältnissen bedeuten, dass die Mitarbeiter der Bank plötzlich durch die Räume der Werbeagentur durchgehen müssten, bevor sie ihre Flächen erreichen. Ordnet man die Kernflächen jedoch so an, dass sie die Teilbarkeit oder Zusammenlegung der Büroflächen nicht stören, habe ich als Eigentümer und Vermieter keine großen Schwierigkeiten bei der Nachvermietung. Ebenfalls kann ich bei der Planung mit bedenken, dass es erprobte Achsmaße gibt, die sich für unterschiedliche Bürotypen eignen. Mit Trakttiefen ab 12 m und einem Fassadenachsmaß ab 1,25 m kann ich ein optimales Verhältnis für rund 90 Prozent der Bürotypen schaffen.

Zum Schluss sei noch angemerkt: Jeder Projektentwickler, Endinvestor und Mieter von Büroimmobilien kann auf eine Prüfung der Immobilie hinsichtlich ihrer Nutzbarkeit bestehen. Der Mieter ist kein unbekanntes Wesen und gut geplante Flächen bieten Raum für Identität, Effizienz und Nachhaltigkeit.

Info

Der Autor dieses Gastkommentars, Herbert Zitter, ist Architekt und Partner bei M.O.O.CON (Spezialist für die an der Unternehmensstrategie orientierten Gebäudeentwicklung, für strategisches Facilitymanagement und für Relocation Projekte).

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Symbolfoto
Home

Standort Wien: Eine Sacher-Torte reicht nicht aus

Internationale Konzerne entscheiden sich sehr pragmatisch für oder eben gegen eine Stadt. Ewald Stückler, Geschäftsführer von Tecno Office Consult, fehlt für Wien ein klares Profil und sieht in der höheren Lebensqualität alleine keinen Grund für eine Ansiedelung.
Home

Starke Immobilien – schwache Immobilienaktien?

Krisenwährung Immobilie – viele Anleger suchen in wirtschaftlich unsicheren Zeiten nach stabilen, wertbeständigen Anlagen. Ausdruck dafür sind die kontinuierlich steigenden Wohnimmobilienpreise in Wien. Doch Immobilienaktien „ticken“ anders, wie die Kursentwicklung seit Jahresbeginn zeigt. Die Erste-Group-Analystin, Martina Valenta, kommentiert die Situation.
Immobilienportfoliobewertung Wert
Immobilien

Immobilienportfoliobewertung – Der Weg zum Wert

Mit zunehmender Kapitalmarktorientierung und Internationalisierung der Immobilienmärkte haben Immobilienportfolios und somit auch deren Bewertung deutlich an Bedeutung gewonnen. Ein Gastkommentar von Sandra Hochleitner, Real Estate Managerin
bei KPMG Advisory GmbH.
Architektur Haeuser Spiegelbilder
Kreativ

Architektur: Die Häuser als Spiegelbilder

Im Interview erzählen BEHF Architekten, worin sie die moderne Rolle und die Verantwortung der Architekten sehen. Und wo die Stadt Wien ihrer Meinung nach am hässlichsten ist.
Kommentare

Kaputtes Haus der Hasenfüße

Dauerangst vor vermeintlich Unpopulärem: Die Bruchbude Parlament ist Symbol dafür.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.