Tierschützer: Anzeige gegen Polizei

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Die Ankläger behalten sich vor, das Verfahren vor die zweite Instanz zu bringen. Indes könnte der Prozess ein Nachspiel für die Polizisten der „Soko Kleidung“ haben. Grünen schießen sich auf die Ermittler ein.

Wien/Red. Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt will sich vorerst nicht mit den Freisprüchen von 13 Tierschützern zufriedengeben, die Richterin Sonja Arleth am Montag nach 88 Verhandlungstagen gefällt hat: Ankläger Wolfgang Handler hat am Dienstag Berufung gegen das Urteil angemeldet. „Die Urteilsbegründung ist aus unserer Sicht in vielen Punkten nicht nachvollziehbar gewesen“, sagt Erich Habitzl, Sprecher der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt.

Mit der Anmeldung der Berufung ist das Urteil bis auf Weiteres nicht rechtskräftig. Die Richterin muss es jetzt schriftlich ausfertigen, erst danach entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob sie das Verfahren wirklich in zweiter Instanz anfechten will – das sei aber noch nicht fix, so Habitzl: Zunächst wolle man die Urteilsbegründung genau prüfen.

Unterdessen könnte der Tierschützer-Prozess auch ein gerichtliches Nachspiel für die ermittelnden Polizisten von der „Soko Kleidung“ haben. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem jüngst freigesprochenen Martin Balluch, Obmann des „Vereins gegen Tierfabriken“ (VgT), kündigte der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser am Dienstag an, eine 21 Seiten starke Anzeige bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft einbringen zu wollen. Neben Soko-Leiter Erich Zwettler werden darin auch drei weiteren Beamten Missbrauch der Amtsgewalt, Freiheitsentziehung, falsche Beweisaussage und Urkundenunterdrückung vorgeworfen.

Für den Amtsmissbrauch spreche die „Vertuschung der entlastenden Ermittlungsergebnisse“, so Steinhauser – die Polizei habe aus nachträglich abgeänderten Ermittlungsergebnissen bewusst falsche Schlussfolgerungen konstruiert. Auch die als „Danielle Durand“ bei den Tierschützern eingeschleuste verdeckte Ermittlerin sei – wie das die Richterin auch im Urteil dargelegt hätte – auf falscher rechtlicher Basis und zu lange eingesetzt worden. Es sei zu prüfen, „ob die Polizei die Justiz jahrelang instrumentalisiert“ habe, so der grüne Justizsprecher.

Ministerin: Mafia-Paragrafen prüfen

Auch die neue Justizministerin Beatrix Karl (VP) lässt den Prozess noch einmal untersuchen. Insbesondere soll auch evaluiert werden, ob der der sogenannte „Mafia-Paragraf“ 278a im Strafgesetzbuch zu weit ausgelegt werden könne, wie im Laufe des Prozesses mehrere Experten kritisiert hatten. Ob das Gesetz geändert wird, darauf wollte Karl sich am Dienstag noch nicht festlegen, auch einen genauen Zeitrahmen für die Evaluierung wollte sie nicht nennen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2011)

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