Krankenhäuser: Österreichs Wutbürger erwachen

(c) Clemens Fabry
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Krankenhausschließungen sorgen in der Steiermark und Oberösterreich für massive Kritik unter Belegschaft und Bürgern. Mit Unterschriftenlisten und Demonstrationen wehren sie sich gegen die Politik.

Graz/Linz. Um mehr als drei Millionen Euro wird derzeit die Tuberkulose-Station im steirischen Landeskrankenhaus Hörgas-Enzenbach nördlich von Graz ausgebaut. Der Freude über die Aufrüstung zu einer der modernsten derartigen Einrichtungen Europas folgt in der Belegschaft aber dieser Tage schnell ein verärgertes Kopfschütteln. Schuld am Unmut sind die Strukturreformpläne des Landes für seinen Krankenhausbereich. Vorgesehen ist nämlich, die beiden Standorte in Hörgas und Enzenbach im nördlichen Umland von Graz zu verkaufen.

„Eine Katastrophe für die Region“, wettert Wolfgang Lagger, Bürgermeister der Nachbargemeinde Eisbach-Rein. Binnen kürzester Zeit wurden mehr als 40.000Unterschriften gegen die Schließung gesammelt. Eine Abordnung von Ortschefs, Krankenhausbediensteten und Bürgern übergab sie an die zuständige Gesundheitslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder (VP). „Die Last dieser Entscheidung habe ich zu tragen“, sagte die Politikerin und blieb hart. Bei den Spitälern gebe es „immer irgendwo Investitionen“. Außerdem sei die Verlegung der Abteilungen auf Standorte in Graz und das Ende für Hörgas-Enzenbach nicht für 2012 geplant. Sondern?

Klare Zeitpläne gibt es noch nicht – sie sollen von der Spitalsgesellschaft bis Juni erarbeitet werden, hieß es nach einer Sitzung gestern, Donnerstag. Schon jetzt wächst aber der Unmut unter den Bürgermeistern und der Krankenhausbelegschaft. „Die Mitarbeiter sind außerordentlich verunsichert“, bestätigen Bernhard Bauer, Leiter der Abteilung für Innere Medizin in Hörgas, und Gert Wurzinger, Chef der Lungenabteilung in Enzenbach, unisono. Der interne Motivationspegel sei gesunken. Mitarbeiter würden sich berAeits nach Dienstposten an anderen Standorten umsehen oder einen Wechsel in die Privatwirtschaft überlegen.

Zudem kritisiert Bauer die fehlende Kommunikation seitens der Politik im Vorfeld. Aufgrund eines Stillschweigeabkommens innerhalb der SP/VP-Koalition während der Budgetverhandlungen haben die Betroffenen erst aus den Medien über die Einsparungspläne erfahren. „Eine Missachtung der Wertigkeit von Führungskräften“, schimpft der Mediziner. Im Gegensatz zur Politik, die sich eine qualitative Verbesserung der Versorgung erwartet, sieht Bauer auf die Patienten Verschlechterungen und Härten zukommen.

Proteste auch im Innviertel

Aber auch in Oberösterreich kocht die Volksseele, auch hier befeuert durch Reformpläne für die Landeskrankenhäuser. Es war ein unfreundlicher Empfang, der Landeshauptmann Josef Pühringer (VP) am vorläufigen Höhepunkt der Kritik an der „SpitalsreformII“ bereitet wurde. Bei seiner Eröffnungsrede zur Braunauer Gesundheitsmesse Ende April sah er sich 200Demonstranten mit Operationsmasken im Gesicht gegenüber, die auf Transparenten ihrem Ärger über die Schließung von Abteilungen im Krankenhaus Braunau und die Streichung des Kostenzuschusses für die gemeinsam mit dem bayerischen Krankenhaus Simbach betriebene Herzkatheteranlage Luft machten. Als Pühringer den Protesten schließlich widersprach, verließen auch noch die kollegiale Leitung sowie die Geschäftsführung des Krankenhauses St. Josef in Braunau geschlossen und ohne ein Wort den Saal. Derart offene Missbilligung trifft den mit hohen Beliebtheitswerten ausgestatteten Landeshauptmann hart, während das Innviertel seinem Ruf als Heimat einer besonders widerständigen Bevölkerung gerecht wird. Die Wutbürger aus dem deutsch-österreichischen Grenzland haben 90.000Unterschriften gesammelt (das Innviertel hat 200.000Einwohner). Im Bezirk Braunau haben sogar 53.000 von 96.000Einwohnern, etwa zwei Drittel der Wahlberechtigten, unterschrieben. Die Unterschriften sollen im Rahmen eines Protestmarschs auf Linz am 9.Juni dem Landtag übergeben werden.

Im Innviertel ist auch innerparteilich herbe Kritik an den schwarzen Sparplänen laut geworden: Der Schärdinger Bürgermeister Heinz Angerer kritisierte in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ die „eklatante Versorgungsungerechtigkeit“: „Kritik muss erlaubt sein, das wird der Landeshauptmann akzeptieren müssen.“ Und auch auf anderen Ebenen soll der Druck auf VP-Funktionäre dem Vernehmen nach immer stärker werden. Bis dato aber hält die Front gegen die Reformkritiker.

Auf einen Blick

Spitalsreformen. Gegen geplante Schließungen von Spitälern im oberösterreichischen Innviertel und im Umland von Graz hat sich massiver Bürgerwiderstand formiert. In Oberösterreich wurden 90.000Unterschriften, in der Steiermark mehr als 40.000 gegen die Reformvorhaben der Landespolitik gesammelt. Unter der betroffenen Spitalsbelegschaft wachsen die Verärgerung und Verunsicherung, die Ärzte befürchten eine Verschlechterung der Patientenversorgung. Die Politik bleibt aber hart und verweist auf steigende Erhaltungskosten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2011)

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