EZB-Nowotny: Märkte haben Trichet "überinterpretiert"

"Taube" Nowotny warnt vor Überinterpretationen(c) REUTERS (Heinz-peter Bader)
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"Es kann keine Rede davon sein, dass die EZB wie eine Taube agiert", sagte Nowotny. Die Zentralbank will die Staatsanleihekäufe auf Sparflamme halten.

Die Märkte hätten die Äußerungen von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet nach der jüngsten Zinssitzung "überinterpretiert", sagte der österreichische Notenbankchef Ewald Nowotny. Trichet hatte sich über den weiteren geldpolitischen Kurs bedeckt gehalten und damit Spekulationen ausgelöst, die Währungshüter könnten ihre nächste Zinserhöhung auf die Zeit nach Juli verschieben. Die Märkte unterschätzen nach Ansicht von EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny die Bereitschaft der Europäischen Zentralbank zu einer zügigen Straffung der Geldpolitik.

"Es kann keine Rede davon sein, dass die EZB wie eine Taube agiert", sagte Nowotny. Er bezog sich damit auf die in Notenbankkreisen geläufige Unterscheidung zwischen den weniger strikt an Geldwertstabilität orientierten Ratsmitgliedern ("Tauben") und eher Zinserhöhungen zugeneigten Geldpolitikern ("Falken"). Da Nowotny selbst dem Lager der Tauben in der EZB zugerechnet wird, kommt seiner Äußerung nach Ansicht von Beobachtern besondere Bedeutung zu.

Vor der Ratssitzung hatten einige Experten bereits auf eine Zinserhöhung im Juni spekuliert, da die Inflationsrate in der Euro-Zone zuletzt auf 2,8 Prozent gestiegen war. Doch Trichet vermied auf der Pressekonferenz einen entsprechenden Fingerzeig, der mit dem Signalwort einer "erhöhten Wachsamkeit" verbunden ist. Auch seine Formulierung, dass der EZB-Rat die Entwicklung mit Blick auf die Preisstabilität sehr genau beobachte, gibt den Märkten keine klare Orientierung.

Die EZB hatte im April die Zinswende eingeleitet und die Geldpolitik erstmals seit fast drei Jahren gestrafft. Die EZB hatte auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise um Griechenland im Mai 2010 zudem mit den Ankauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt begonnen. Seither hat sie Staatstitel im Wert von mehr als 76 Milliarden Euro erworben. Seit mehr als einem Monat pausiert die EZB jedoch. Nowotny deutete an, dass die Zentralbank das Programm auch künftig nur auf Sparflamme betreiben wird: "Wir halten vorerst daran fest, allerdings mit der Absicht, es so wenig wie möglich zu nutzen."

(APA/Ag.)

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