Immer mehr EU-Bürger Ziel von Internet-Kriminalität

(c) Clemens Fabry
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Hacker besorgen sich Kreditkartennummern und verführen Bankkunden auf gefälschte Seiten, besagt ein neuer Europol-Bericht. Die digitale Untergrundwirtschaft boomt.

Wien/Brüssel. „Das High-Speed-Internet hat das Betätigungsfeld für Betrüger erweitert.“ In einem diese Woche vorgestellten Bericht warnt die europäische Polizeibehörde Europol vor einer steigenden Zahl an Verbrechen mithilfe des Internets. Das Netz wird demnach nicht nur zur Logistik und Kommunikation für das organisierte Verbrechen genutzt. Es wird auch selbst Schauplatz unterschiedlichster Betrügereien. Europol spricht von einer „digitalen Untergrundwirtschaft“, über die mit Personaldaten gehandelt wird, mit denen Steuerbetrug und Geldwäsche abgewickelt werden.

Laut dem Europol-Bericht, der der „Presse“ vorliegt, floriert der Markt mit heiklen Daten. Hacker besorgen ihren kriminellen Kunden so ziemlich alle gewünschten persönlichen Daten, von Telefonnummern, über Adressen bis zu Konto- und Kreditkartennummern. Da die EU mittlerweile der weltgrößte Markt für Kreditkarten-Geschäfte via Internet ist, zieht sie auch immer mehr kriminelle Gruppen an. EU-Bürger, die Waren bestellen oder ihre Bankgeschäfte im Netz abwickeln, werden zunehmend betrogen und bestohlen.

Allein 2009 erreichte in der EU der gemeldete Betrug über gestohlene Kreditkartendaten eine Höhe von 1,5Milliarden Euro. Banden besorgen sich Zahlungsdaten und Kartennummern („Phishing“) beziehungsweise greifen direkt in Onlinezahlungen ein. Sie kaufen mit den Daten selbst im Internet ein oder heben Geld ab.

Gefälschte Internetseiten

Auch das sogenannte „Pharming“ wird vermehrt von kriminellen Gruppen genutzt. Dabei werden Internet-User auf gefälschte Internetseiten umgeleitet. Auf diesen oft täuschend echten Websites, die jenen von echten Bankinstituten gleichen, werden sie aufgefordert, ihre Benutzerkennung und ihre Passwörter einzugeben. Sobald diese Daten übermittelt sind, wird ihr Konto über die tatsächlichen Log-in-Seiten der Banken ausgeplündert.

Die auf das Internet spezialisierten kriminellen Banden sind innerhalb der Europäischen Union vor allem in Südosteuropa und den baltischen Ländern beheimatet. Aber auch von außen wird heftig eingegriffen. Russische Gruppen versuchen derzeit intensiv, über illegale Wege Geld von EU-Bürgern abzusaugen. Banden aus China und Südostasien bemühen sich vermehrt, mit okkupierten Kreditkartendaten innerhalb der EU Luxusgüter einzukaufen, um sie dann in ihren Heimatländern wieder schwarz zu verkaufen.

Die Wirtschaftskrise hat laut Europol dazu geführt, dass junge arbeitslose Computerspezialisten vermehrt für kriminelle Aktivitäten angeworben werden. Viele von ihnen werden bereits an den Universitäten rekrutiert. Die europäische Polizeibehörde rechnet angesichts der nach wie vor angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt damit, dass die Internet-Kriminalität in den nächsten Jahren noch weitersteigen wird. Sogar der Handel mit Emissionsrechten war zuletzt zum Ziel von Hackern geworden. Sie stahlen Verschmutzungsrechte und verkauften diese im Internet weiter.

Onlinewetten zur Geldwäsche

Längst hat sich auch die Mafia im Internet etabliert. Als Beispiel führt der Europol-Bericht das Geschäft mit Onlinewetten an. Auf Websites, die von der italienischen Mafia betrieben werden, würden nicht nur enorme Gewinne lukriert, sie dienen den Hintermännern auch zur Geldwäsche.

Das Internet ist aber auch das zentrale Kommunikationsmittel des organisierten Verbrechens geworden. Über Skype und soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter wird die internationale Zusammenarbeit koordiniert. Gleichzeitig wird das Internet auch zum Handelsplatz illegal beschaffter Güter. Über das Netz werden gefälschte Medikamente, synthetische Drogen und illegal kopierte Videos vertrieben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2011)

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