Dramatische Kampfabstimmung um ÖAAB-Vorsitz

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Die Kür von Innenministerin Mikl-Leitner zur Nachfolgerin Spindeleggers erfolgte erst im dritten Anlauf - und nach einem Kraftakt des Parteichefs.

Wien. Als Johanna Mikl-Leitner um 15 Uhr mit Michael Spindelegger vor die Journalisten trat, lächelten beide schon wieder. Ehe die neue Innenministerin am Dienstag als designierte Bundesobfrau des schwarzen Arbeitnehmerbundes (ÖAAB) feststand, hatte es eines Kraftakts des scheidenden ÖAAB-Obmanns und jetzigen ÖVP-Chefs Spindelegger bedurft. Aber auch dann fiel die Entscheidung in einer Sitzung der ÖAAB-Landesobmänner mit Spindelegger erst im dritten Wahlgang mit sechs zu vier Stimmen für die Niederösterreicherin Mikl-Leitner gegen den Ex-Finanzstaatssekretär und Steirer Reinhold Lopatka.

Vom ÖAAB-Bundesvorstand wurde sie danach einstimmig nominiert, beim ÖAAB-Bundestag im Oktober wird die Wahl formal besiegelt werden. „Die Presse“ hatte als erste Zeitung bereits in der Vorwoche berichtet, dass Mikl-Leitner gute Chancen hätte, als erste Frau seit 1945 die ÖAAB-Bundesobmannschaft zu übernehmen. „Ich freue mich außerordentlich, dass Hanni (Mikl-Leitner, Anm.) den ÖAAB ab Oktober formell und tatsächlich schon jetzt als Obfrau leiten wird“, erklärte Spindelegger.

Der Parteichef hatte die ÖAAB-Landeschefs schon nach dem Ministerrat und noch vor der für 14 Uhr angesetzten offiziellen Sitzung des Bundesvorstands zu einem Treffen in Wien zusammengetrommelt. Wie dramatisch die Personalrochade verlief, beweist allein, dass Mikl-Leitners Nominierung erst nach dem dritten Wahlgang feststand. Sie wurde mit zwei Stimmen Vorsprung gekürt, abgestimmt hatten die neun ÖAAB-Landesobleute und der Bundeschef.

6:4 in Stichwahl gegen Lopatka

Wie der „Presse“ bestätigt wurde, mussten die drei Kandidaten – neben Mikl-Leitner und Lopatka war auch noch Justizministerin Beatrix Karl im Rennen – im ersten Durchgang auf die Plätze eins, zwei oder drei gereiht werden. Ergebnis: Lopatka vor Mikl-Leitner und Karl. Auf Wunsch von Spindelegger folgte ein zweiter Wahlgang. Dabei lagen Lopatka und Mikl-Leitner mit je vier ersten Plätzen gleichauf, Karl kam nur auf zwei erste Plätze und war damit aus dem Rennen. Im dritten Durchgang kam es schließlich zur Stichwahl mit 6:4-Ergebnis.

Das knappe Ergebnis spiegelte die Uneinigkeit der ÖAAB-Landeschefs wider, wer Nachfolger Spindeleggers werden sollte. Deswegen war Ende der Vorwoche schon die Variante aufgetaucht, die Entscheidung könnte erst im Herbst fallen. Im ÖAAB, mit 250.000 Mitgliedern eine starke Stütze der Volkspartei, wurde betont, dass Spindelegger alles unternommen habe, damit es zu keinem Aufschub kommt.

Niederösterreich voran

Von Anfang an klar war, dass die ÖAAB-Kür einmal mehr zu einem Kräftemessen wird, ob ein Kandidat aus der mächtigen niederösterreichischen oder der ebenfalls starken steirischen Landesorganisation zum Zug kommt. Den Ausschlag gaben dann offenbar die ÖAAB-Landesgruppen in Wien mit Obmann Mathias Tschirf und in Oberösterreich mit Franz Hiesl. Dieser hatte sich stets für einen ÖAAB-Chef starkgemacht, der auch eine Bundesfunktion innehat, um dem ÖVP-Arbeitnehmerbund eine bessere Plattform und mehr Gewicht zu verschaffen. Die Bundesfunktion Mikl-Leitners betonte auch Spindelegger. Sie selbst erwähnte auch ihre Erfahrung als ÖAAB-Vizeobfrau in Niederösterreich und dass sie ihre Stärke aus den Ländern beziehen werde. „Ich plane eine enge Zusammenarbeit mit den Landesorganisationen.“

Was davon zu halten sei, dass nach Spindelegger als neuer Parteichef und Vizekanzler sowie nach Mikl-Leitner als neue Innenministerin auch der ÖAAB-Chefsessel an Niederösterreich geht? Es sei schlicht um „die besten Köpfe“ in dieser Spitzenfunktion seiner Partei gegangen, sagte Spindelegger.

Der längere Zeit als Favorit gehandelte steirische ÖAAB-Chef Christopher Drexler soll hingegen von sich aus abgesagt haben – angeblich wegen geringer Aussichten. Mikl-Leitner wiederum musste offenbar erst überzeugt werden, weil sie sich neben der Führung des Innenressorts nicht auch noch die des – finanzschwachen – ÖAAB aufhalsen habe wollen. Spindelegger wollte, wie es hieß, eine Frau als Nachfolgerin.

Karl nun ÖVP-Vizeparteichefin?

Mikl-Leitner erklärte, sie wolle sich nun Themen von der Familie („wichtige Stütze“, „bessere Vereinbarkeit mit der Karriere“) über den Leistungsgedanken bis zur Bildung („die beste für jeden, nicht die gleiche für alle“) vornehmen. Die Ministerin ist auch (noch) stellvertretende Parteichefin. Wie „Die Presse“ erfuhr, wird Spindelegger beim ÖVP-Parteitag am 20.Mai voraussichtlich Beatrix Karl als neue ÖVP-Stellvertreterin nominieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11. Mai 2011)

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